Bundesgericht, Berufungsurteil vom 20. Februar 2004, 4C.331/2003 /Ima

Bundesgericht, Berufungsurteil vom 20. Februar 2004, 4C.331/2003 /Ima

Schweiz: COLOR FOCUS ./. FOCUS, fehlgeschlagener Nichtbenutzungs-Einwand

Gericht

Bundesgericht


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

20. 02. 2004


Aktenzeichen

4C.331/2003 /Ima


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein im Ausland im Zusammenhang mit der Basismarke geführtes Registerverfahren gilt als „wichtiger Grund“ für den Nichtgebrauch einer IR-Marke im Sinne des Art 12 Abs.1 MSchG (Schweizer Markenschutzgesetz).

  2. Sofern das ausländische Widerspruchsverfahren dem Schweizerischen Widerspruchsverfahren seinem Regelungsgehalt nach vergleichbar ist, führt ein gegen die ausländische Basismarke eingelegter Widerspruch daher zum Aufschub des Beginns der fünfjährigen Benutzungsschonfrist.

  3. Die Benutzungsschonfrist nach Art. 12 Abs.1 MSchG beginnt im Falle eines gegen die Basismarke geführten Widerspruchsverfahrens erst mit dessen rechtskräftigem Abschluß zu laufen.

  4. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens sind bei der Frage der „Zumutbarkeit“ des Gebrauchs im Sinne des Art.12 Abs.1 MSchG nicht zu berücksichtigen. Dem Inhaber einer IR-Marke ist es nicht zuzumuten, die Marke in dem schutzerstreckten Land durch notorische Benutzung einzuführen, solange die Löschung der Basismarke unabhängig vom Willen des Markeninhabers möglich ist.

Tatbestand


Sachverhalt:

A.

Die Lancôme Parfums et Beauté & Cie, Paris, (Klägerin) hinterlegte am 28. September 1999 die internationale Marke Nr. 730 668 “COLOR FOCUS” beim Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum (IGE), Dagegen erhob die Focus Magazin Verlag GmbH, München, (Beklagte) Widerspruch gestützt auf ihre internationale Marke Nr. 663 349 “FOCUS” (publiziert in der Gazette 1996/17 vom 21. Januar 1997). Das IGE hiess den Widerspruch gut und verweigerte der internationalen Marke der Klägerin definitiv den Markenschutz in der Schweiz. Die Klägerin war vom Widerspruchsverfahren ausgeschlossen worden, weil sie versäumt hatte, innert Frist einen Vertreter zu bestellen.

Die Klägerin liess am 21. Oktober 2002 eine Benutzerrecherche für die Schweiz und Deutschland durchführen. Aufgrund des Ergebnisses dieser Recherche hinterlegte sie am 31. Oktober 2002 beim IGE wiederum die Marke “COLOR FOCUS”. Am 4. Februar 2003 wurde die Marke unter der IR-Nummer 507 332 eingetragen, worauf die Beklagte am 25. April 2003 erneut Widerspruch erhob. Das Widerspruchsverfahren wurde bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren sistiert.

Grundlage der internationalen Marke der Beklagten bildet die in Deutschland seit dem 25. Mai 1996 eingetragene Marke Nr. 394 07 564 “FOCUS”. Gegen diese international für verschiedene Länder registrierte deutsche Basismarke der Beklagten wurden in Deutschland Widersprüche eingereicht.


B.

Am 30. Dezember 2002 gelangte die Klägerin an das Handelsgericht des Kantons Bern mit dem Begehren, der schweizerische Teil der internationalen Marke 663 349 “FOCUS” sei für die Waren in den Klassen 3 und 5 nichtig zu erklären und das rechtskräftige Urteil dem IGE mitzuteilen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die Beklagte habe ihre Marke während fünf Jahren für Waren der Klassen 3 und 5 weder in der Schweiz noch in Deutschland gebraucht, weshalb die Marke gemäss Art. 12 Abs. 1 MSchG nichtig zu erklären und im Markenregister in diesem Umfang zu löschen sei.

Das Handelsgericht wies die Klage am 2. September 2003 ab. Es legte Art. 12 Abs. 1 MSchG in dem Sinne aus, dass die fünfjährige Benutzungsschonfrist erst mit rechtskräftigem Abschluss eines ausländischen Widerspruchsverfahrens gegen die Basismarke zu laufen beginne, solange der schweizerische Teil von deren Schicksal gemäss Art. 6 Abs. 2 und 3 MMA abhänge; der Fristenlauf habe somit noch gar nicht begonnen. Eventuell erwog das Gericht, die Beklagte könnte ein gegen die Basismarke hängiges Widerspruchsverfahren als wichtigen Grund für den Nichtgebrauch im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG erfolgreich geltend machen; denn bis zur Erledigung dieses Widerspruchs herrsche dieselbe Unsicherheit über das Schicksal der internationalen Marke wie bei einem gegen sie selbst erhobenen Widerspruch. Schliesslich verwarf das Gericht die Behauptung der Klägerin, dass die umstrittene Marke in den Klassen 3 und 5 eine reine Defensivmarke sei.


C.

Die Klägerin hat am 28. November 2003 Berufung eingereicht und stellt folgende Rechtsbegehren:

  1. Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 2. September 2003 sei aufzuheben.

  2. Es sei der schweizerische Teil der IR-Marke 663 349 FOCUS für die Waren in Klasse 3 (savons; parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits de nettoyage et dentifrices) nichtig zu erklären.

  3. Es sei der schweizerische Teil der IR-Marke 663 349 FOCUS für die Waren in Klasse 5 (Produits pharmaceutiques et hygiéniques; substances diététiques à base de vitamines, d’albumine et/ou à base d’hydrates de carbone en tant que denrées alimentaires pour l’alimentation fortifiante ou substances diététiques réduites en substances nutritives, à valeur calorifique contrôlée, aliments fortifiants pour le sport, préparations fortifiantes contenant des vitamines, des minéraux ainsi que des oligoéléments et des préparations stimulantes, ou similaires; les produits précités à usage médical) nichtig zu erklären.

  4. Es sei das rechtskräftige Urteil dem Insitut für Geistiges Eigentum, 3003 Bern, mitzuteilen.”


D.

Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe


Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Art. 12 Abs. 1 MSchG regelt die Folgen des Nichtgebrauchs der Marke. Hat der Inhaber die Marke während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht gebraucht, so kann er sein Markenrecht nach Art. 12 Abs. 1 MSchG nicht mehr geltend machen, ausser wenn wichtige Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen (sog. Benutzungsschonfrist). Die Beklagte hat die Marke “FOCUS” für die Waren der internationalen Klassen 3 und 5 unbestrittenermassen bis heute weder in der Schweiz noch in Deutschland gebraucht (vgl. Art. 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892, SR 0.232.149.136; vgl. dazu MARBACH, Markenrecht in VON BÜREN/DAVID [Hrsg.] Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III Kennzeichenrecht, Basel 1996, S. 175).

1.1 Die Benutzungsschonfrist beginnt nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens (Art. 12 Abs. 1 MSchG). Dieser Zeitpunkt wurde erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen bestimmt. Der Bundesrat hatte hingegen die – gegenüber dem früheren Recht verlängerte – Benutzungsschonfrist vom Zeitpunkt der Markeneintragung an berechnen wollen (Botschaft zum Markenschutzgesetz, BBI 1991 I 1, S. 65/25 f.). Auf Antrag der ständerätlichen Kommission wurde der Fristbeginn aber auf den Ablauf der Widerspruchsfrist oder den Abschluss des Widerspruchsverfahrens festgelegt. Nach den Materialien ergab sich diese Änderung für die Kommission allein aus der Einführung des Widerspruchsverfahrens (vgl. das Votum der Kommissionsberichterstatterin im Ständerat, AB 1992 S, S. 26). Für den Ablauf der Widerspruchsfrist gilt daher nach Art. 31 Abs. 2 MSchG, dass der Widerspruch innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Markeneintragung beim IGE einzureichen ist (DAVID, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl. Basel 1999, N 6 zu Art. 12 MSchG, N 1 zu Art. 31 MSchG; WILLI, Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N 9 zu Art. 12 MSchG). Nach den vorinstanzlichen Feststellungen ist die internationale Marke Nr. 663 349 “FOCUS” der Beklagten aufgrund der deutschen Basismarke Nr. 394 07 564 seit dem 25. Mai 1996 international registriert (vgl. für das Verfahren CHRISTIAN SCHLEI, Das Protokoll betreffend das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, Bern 1993, S. 72 f.). Gegen die Registrierung in der Schweiz wurde kein Widerspruch erhoben.

1.2 In der Lehre wird die Meinung vertreten, für internationale Marken beginne die Benutzungsschonfrist mit Ablauf der Frist, die dem IGE zur Verweigerung des Schutzes in der Schweiz zur Verfügung steht bzw. im Zeitpunkt, in dem eine vorläufige Schutzverweigerung zurückgenommen wird. Diese Frist beginnt für Marken, die dem Madrider Markenabkommen (MMA; SR 0.232.112.3) unterstehen nach 12 Monaten (Art. 5 Abs. 2 MMA), für Marken im Geltungsbereich des Protokolls zum Madrider Abkommen (MMP; SIR 0.232.112.4) nach 18 Monaten seit der Registrierung (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b MMP und die entsprechende Erklärung der Schweiz; DAVID, a.a.O., N 6 zu Art. 12 MSchG, WILLI, a.a.O., N 10 f. zu Art. 12 MSchG). Nach Art. 9sexles MMP hat dieses Protokoll keine Wirkung im Hoheitsgebiet eines andern Staates, der Vertragspartei sowohl des MMP wie des MMA ist, wenn die Ursprungsbehörde einer Vertragspartei angehört, die ebenfalls beiden Abkommen beigetreten ist (vgl. BOCK, Ausgewählte Aspekte des Protokolls zum Madrider Markenabkommen und der Gemeinsamen Ausführungsverordnung, GRUR Int. 1996, S. 992; SCHLEI, a.a.O., S. 97 ff.). Dies trifft sowohl für Deutschland als auch für die Schweiz zu, die jeweils Vetragsparteien beider Abkommen sind. Im Zeitpunkt der Einreichung der vorliegenden Klage am 30. Dezember 2002 war die Benutzungsschonfrist auch unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 2 MMA unbestrittenermassen abgelaufen.

1.3 Nach Art. 12 Abs. 1 MSchG hängt der Fristbeginn für die Benutzungsschonfrist davon ab, ob ein Widerspruchsverfahren angehoben wird. Dabei kann es sich nur um das im MSchG selbst geregelte – schweizerische – Widerspruchsverfahren handeln. Dem Wortlaut der Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass vergleichbare ausländische Verfahren dem hiesigen Widerspruchsverfahren gleichgestellt wären. Dieser grammatikalischen Auslegung entspricht der subjektiv-historische Wille des Gesetzgebers (E. 1.1 vorne). Nach den Materialien wurde der Aufschub des Beginns der Benutzungsschonfrist, wie erwähnt, allein mit der Einführung des Widerspruchsverfahrens (Art. 31-34 MSchG) begründet. Aus der systematischen Stellung der Folgen des Nichtgebrauchs der Marke im Gesetz kann unmittelbar nichts für die Beantwortung dieser Streitfrage geschlossen werden. Die internationale Registrierung einer Marke mit Schutzwirkung für die Schweiz entfaltet dieselbe Wirkung wie deren Hinterlegung beim IGE mit anschliessender Eintragung im schweizerischen Register (Art. 46 Abs. 1 MSchG). Diese Wirkung tritt nur dann nicht ein, sofern und soweit der international registrierten Marke der Schutz für die Schweiz verweigert wird (Art. 46 Abs. 2 MSchG). Widersprüche gemäss Art. 31 ff. MSchG können auch gegen internationale Registrierungen erhoben werden (DAVID, a.a.O., N 5 zu Art. 46 MSchG). Aus der vom Gesetzgeber angestrebten Harmonisierung mit dem europäischen Recht lässt sich für die streitige Frage nichts ableiten. Art. 10 Abs. 1 der Markenrichtlinie (Erste Richtlinie 89/104 EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABI. L 40 vom 11. Februar 1989) lässt die fünfjährige Benutzungsschonfrist am Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens beginnen und behält berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vor (vgl. dazu etwa ALTHAMMER/STRÖBELE/KLAKA, Markengesetz, 6. Aufl., Köln 2000, S. 1090 und S. 540 N 110 f. zu § 26). Teleologisch ist die Absicht zu erkennen, dass die Benutzung der Marke dem Inhaber nicht zugemutet werden soll, solange ihre Schutzfähigkeit bzw. Eintragungsfähigkeit durch einen Widerspruch in Frage gestellt ist (Vgl. WILLI, a.a.O., N 12 zu Art. 12). Dieser Zweck wird im internen schweizerischen Recht dadurch erreicht, dass die Benutzungsschonfrist nicht beginnt, solange eine Frist für den Einspruch gegen die Eintragung der Marke offen oder ein Verfahren hängig ist, in dem der Registereintrag bestritten wird. Es stellt sich die Frage, ob zur Erreichung dieses Zweckes der Aufschub des Fristbeginns analog auch für die in Deutschland gegen die Basismarke eingereichten Widersprüche gelten soll. Die Vorinstanz hat dies bejaht.

1.4 Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch einen “Zentralangriff” auf die Basismarke gemäss Art. 6 Abs. 3 MMA auch die abgeleiteten Schutzrechte hinfällig werden, solange diese Rechte von der im Ursprungsland registrierten Basismarke abhängig sind (SCHLEI, a.a.O., S. 83, FEZER, Markenrecht, München 2001, N 2/4 zu Art. 6 MMA). Fraglich ist jedoch, ob diese Abhängigkeit der schweizerischen Marke von der deutschen Ursprungsmarke noch besteht. Denn nach Art. 6 Abs. 3 MMA kann der durch die internationale Registrierung erlangte Schutz nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb von fünf Jahren vom Zeitpunkt der internationalen Registrierung an die vorher im Ursprungsland eingetragene nationale Marke in diesem Land den gesetzlichen Schutz nicht mehr geniesst. Das Gleiche gilt nach dieser Bestimmung, wenn dieser gesetzliche Schutz später infolge einer vor Ablauf der Frist von fünf Jahren erhobenen Klage erlischt.

Im vorliegenden Fall ist die Basismarke der Beklagten am 25. Mai 1996 in Deutschland registriert worden und damit die fünfjährige Frist im Mai 2001 abgelaufen.

1.4.1 Die Vorinstanz ist der Ansicht, die Abhängigkeit der für die Schweiz beanspruchten Marke bestehe dennoch, weil im Ursprungsland Deutschland ein Widerspruchsverfahren vor Ablauf dieser Frist eingeleitet worden sei. Sie stützt sich dabei auf Art. 6 Abs. 3 MMP. Nach dieser Regelung begründet nicht nur eine Klage, sondern auch ein sonstiges vor Fristablauf eingereichtes Rechtsmittel oder ein vorher erhobener Widerspruch den Weiterbestand der genannten Abhängigkeit. Nach Ansicht der Vorinstanz ist das im deutschen Recht vorgesehene registerrechtliche Widerspruchsverfahren einer Klage im Sinne von Art. 6 Abs. 3 MMA gleich zu stellen. Denn der Begriff “Klage” oder “action” sei weiter zu verstehen als in der technischen Bedeutung eines förmlichen gerichtlichen Rechtsschutzbegehrens; er sei als “Geltendmachung eines Rechts” auszulegen und könne ganz allgemein für “Vorgehen, Massnahme, Tätigwerden” stehen. Es sei davon auszugehen, dass das wesentlich jüngere MMP den Begriff der Klage habe verdeutlichen wollen und dabei ausdrücklich auch das Widerspruchsverfahren erwähnte; diese Auslegung werde auch durch Regel 22 der Ausführungsverordnung zum MMA und MMP (SR 0.232.112.21) und durch § 78.02 des WIPO-Leitfadens gestützt. Die Vorinstanz verweist schliesslich darauf, dass das deutsche Bundespatentgericht im Jahre 1989 die genannte Gleichstellung von Widerspruchs- und Klageverfahren ebenfalls bejaht habe.

1.4.2 Die vorinstanzliche Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Die Regelung des MMP unterscheidet sich von derjenigen des MMA in mehrfacher Hinsicht; so etwa durch die Möglichkeit der Umwandlung einer internationalen Registrierung in nationale oder regionale Gesuche (Art. 9quinquies MMP) mit der Folge, dass die ursprüngliche Priorität der internationalen Registrierung trotz eines erfolgreichen Zentralangriffs auf die Basis erhalten bleibt (SCHLEI, a.a.O., S. 45/86 f.). Auch dass Art. 6 Abs. 3 MMP im Unterschied zum MMA andere Rechtsmittel und Widersprüche (vgl. dazu SCHLEI, a.a.O., S. 84 f.) ausdrücklich erwähnt, spricht eher gegen die Gleichstellung des Widerspruchs mit einer gerichtlichen Klage. Das Argument, der Begriff “Klage” oder “action” könne weiter verstanden werden als in der technischen Bedeutung eines förmlichen gerichtlichen Rechtsschutzbegehrens, überzeugt für die Auslegung eines Staatsvertrags nicht (vgl. Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, SR 0.111; BGE 122 II 234 E. 4c). Inwiefern im Übrigen aus Regel 22 der Ausführungsverordnung zum MMA und MMP und aus § 78.02 des WIPO-Leitfadens etwas Anderes hervorgehen soll, ist nicht ersichtlich. Beide Quellen unterscheiden zwischen der Klage nach dem Abkommen einerseits und den (weiteren) Rechtsmitteln, nach dem Protokoll anderseits. Die Vorinstanz verweist zudem auf den Beschluss des deutschen Bundespatentgerichts vom 2. Mai 1989. Das Patentgericht ist im Wesentlichen aufgrund derselben Argumente wie die Vorinstanz zum gleichen Schluss gelangt (GRUR 1990, S. 129 f.). Wie dargelegt, vermögen diese Argumente aber nicht zu überzeugen. Nicht nachvollziehbar ist ausserdem die weitere Überlegung des Gerichts, es sei für den Widersprechenden bei drohendem Fristablauf nicht zumutbar, eine Löschungsklage zu erheben.

1.4.3 Es kann indessen offen bleiben, ob das deutsche Widerspruchsverfahren einer gerichtlichen Klage im Sinne von Art. 6 Abs. 3 MMA gleichzustellen ist und die Abhängigkeit der schweizerischen Registereintragung daher nicht bloss bis Mai 2001, sondern darüber hinaus bis zum Abschluss dieses Verfahrens weiter besteht. Denn diese Frage ist vorliegend, wie sich herausstellen wird, für den Verfahrensausgang unerheblich.

1.5 Der Aufschub des Fristbeginns aufgrund des Widerspruchsverfahrens nach Art. 12 Abs. 1 MSchG bezweckt, dem Markeninhaber die Aufnahme des Gebrauchs solange nicht zuzumuten, als er ernsthaft die Aufgabe seiner Marke zu befürchten hat. Diesem Zweck dient auch der Vorbehalt wichtiger Gründe für den Nichtgebrauch, zu denen ernsthafte rechtliche Angriffe auf die Marke gehören (vgl. DAVID, a.a.O., N 7 zu Art. 12 MSchG; WILLI, a.a.O., N 20 zu Art. 12 MSchG). Während des Bestehens eines wichtigen Grundes verlängert sich die Benutzungsschonfrist um die entsprechende Zeitspanne (DAVID, a.a.O., N 7 in fine zu Art. 12 MSchG; WILLI, N 23 zu Art. 12 MSchG). Solange die in der Schweiz registrierte internationale Marke gemäss Art. 6 Abs. 3 MMA von der Basismarke abhängt, deren Löschung in einem hängigen Verfahren unabhängig vom Willen des Markeninhabers möglich ist, ist diesem die notorisch aufwändige Einführung seiner Marke nicht zuzumuten. Dies gilt insbesondere während fristgebundener Widerspruchsoder Einspracheverfahren gegen die Registrierung der Ursprungsmarke, die dem schweizerischen Widerspruchsverfahren vergleichbar sind. Kann die Registrierung der Ursprungsmarke im Ausland derart mit einem fristgebundenen Rechtsmittel in Frage gestellt werden, dass die abhängige schweizerische Marke mit einer Gutheissung des Widerspruchs oder der Einsprache dahinfiele, ist für den Markeninhaber die Aufnahme des Gebrauchs auch in der Schweiz nicht zumutbar. Diese Unzumutbarkeit besteht für den Inhaber der schweizerischen Marke solange, als die Widerrufsfrist für die ausländische Basismarke offen oder das entsprechende Einspracheverfahren hängig ist. Das ausländische Registerverfahren ist daher als wichtiger Grund für den Nichtgebrauch einer Marke während der im Abkommen festgelegten, fünfjährigen Abhängigkeit anzuerkennen. Insoweit ergibt sich für das ausländische Registerverfahren eine dem generellen Aufschub des Fristbeginns durch das schweizerische Widerspruchsverfahren analoge Regelung, sofern das Widerspruchsverfahren im Ausland mit jenem in der Schweiz vergleichbar ist.

2. Die Vorinstanz vertritt grundsätzlich die Ansicht, die formelle Hängigkeit von Widerspruchsverfahren gegen die Basismarke sei in jedem Fall ein wichtiger Grund für die Nichtbenutzung der Marke durch die Beklagte. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen sind gegen die Basismarke der Beklagten Widersprüche eingereicht worden; das deutsche Widerspruchsverfahren wurde erstinstanzlich am 26. März 2001 (recte am 11. Januar 2001) abgeschlossen und die Marke der Beklagten für die Klassen 3 und 5 gelöscht. Die Vorinstanz hält zutreffend dafür, dass damit an sich ein wichtiger Grund für die Beklagte bestand, den Gebrauch ihrer umstrittenen Marke auch in der Schweiz nicht aufzunehmen. Die Klägerin bringt dagegen jedoch vor, dass einerseits der erstinstanzlich gestützt auf die Marke Nr. 2 022 422 gutgeheissene Widerspruch betreffend die Klassen 3 und 5 ohne jegliches Rechtsschutzinteresse aufrechterhalten worden sei; anderseits habe der gestützt auf die Marke IR 539 480 hängige Widerspruch, der sich gegen alle Waren und Dienstleistungen richtete, für die Klassen 3 und 5 von Anfang an kaum Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Klägerin hält dafür, die bloss formale Existenz von Widerspruchsverfahren bilde keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG, wenn sie inhaltlich keine Bedrohung der mit dem Widerspruch belegten Marke darstellten. Es ist zu prüfen, ob Gründe vorliegen, aufgrund derer der Beklagten der Gebrauch ihrer Marke trotz formell hängiger Verfahren zuzumuten gewesen wäre.

2.1 Nach dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte in Deutschland gegen die erstinstanzliche Löschung ihrer Marke in den Klassen 3 und 5 ein Rechtsmittel eingereicht. Dieses hat sie namentlich damit begründet, dass sie die Widerspruchsmarke Nr. 2 022 422 im Jahre 1997 erworben und in der Folge um Registerberichtigung ersucht habe, worauf sie am 28. März 2000 als Inhaberin dieser Marke registriert worden sei. Die Beklagte beantragte im deutschen Verfahren, dass deshalb das Widerspruchsverfahren betreffend die erwähnte Marke wegen Identität der Beteiligten gegenstandslos zu erklären sei. Ausserdem wies sie darauf hin, dass sie den Widerspruch förmlich zurückgenommen habe, um weitere Komplikationen auszuschliessen. Mit der Klägerin ist unter diesen Umständen davon auszugehen, dass der wichtige Grund, der durch den auf Marke 2 022 422 gestützten Widerspruch gesetzt worden war, mit dem Kauf dieser Marke durch die Beklagte entfallen ist. Denn mit dem Erwerb der Widerspruchsmarke hat die Beklagte die Verfügungsmacht über den Widerspruch erlangt. Sie hätte die registerrechtliche Umschreibung sofort erwirken und den Rückzug des Widerspruchs erklären können. Für die Beklagte bestand kein Grund mehr, die Löschung ihrer Basismarke aufgrund des Widerspruchs gegen die nunmehr eigene Marke ernsthaft befürchten zu müssen; und zwar ungeachtet der Tatsache, dass das Verfahren förmlich noch nicht beendet war. Um den Nichtgebrauch ihrer Marke in der Schweiz zu rechtfertigen, konnte die Beklagte sich daher im Zeitpunkt der Klageeinreichung Ende 2002 nicht mehr auf den gestützt auf die (ihr zustehende) Marke 2 022 422 in Deutschland erhobenen Widerspruch berufen. Da sie über die Mittel verfügte, um den Widerspruch zurückzuziehen, kommt dem Umstand, dass dieses Verfahren formell noch nicht abgeschlossen war, keine entscheidende Bedeutung zu.

2.2 Die Vorinstanz hat jedoch festgestellt, dass die Einsprecherin Information Builders International gestützt auf ihre internationale Marke IR 539 480 FOCUS am 27. November 1996 ebenfalls Widerspruch erhoben hatte und zwar gegen alle Waren und Dienstleistungen, für welche die Beklagte ihre Basismarke Nr. 394 07 564 “FOCUS” beansprucht. Dieser Einspruch wurde gemäss Entscheid des deutschen Patent- und Markenamtes vom 11. Januar 2001 für die Klassen 3 und 5 abgewiesen. Gegen diesen Entscheid erhob die Einsprecherin keine Beschwerde. Nach Ansicht der Vorinstanz war folglich bis zum 11. Januar 2001 ein Widerspruchsverfahren betreffend die Klassen 3 und 5 hängig; somit habe die fünfjährige Benutzungsschonfrist frühestens zu diesem Zeitpunkt begonnen und sei deshalb noch nicht abgelaufen.

Die Klägerin beanstandet diesen Schluss der Vorinstanz. Sie hält dafür, es seien die objektiven Erfolgsaussichten dieses Widerspruchs zu würdigen und es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Einsprecherin als Inhaberin der Wort-/Bildmarke FOCUS nur für Waren in den Klassen 9 und 16 sowie für Dienstleistungen in der Klasse 42 Schutz beanspruche. Sie bringt vor, es sei offensichtlich, dass zwischen diesen Waren/Dienstleistungen und den Waren der Klassen 3 und 5 keine Gleichartigkeit im Sinne von 3 Abs. 1 MSchG bzw. von § 9 des deutschen Markengesetzes bestehe; der Widerspruch der Information Builders International habe damit nie eine ernsthafte Gefahr für die Waren der Klassen 3 und 5 dargestellt, womit auch kein wichtiger Grund für den Nichtgebrauch im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG bestanden habe.

Die Klägerin verkennt mit ihren Vorbringen, dass es den zuständigen deutschen Behörden oblag, zu entscheiden, ob der Widerspruch begründet war oder nicht. Der Beklagten kann nicht zugemutet werden, den Ausgang eines hängigen Widerspruchsverfahren abzuschätzen, um gestützt auf diese Beurteilung den Gebrauch des umstrittenen Zeichens aufzunehmen. Dass der Widerspruch geradezu rechtsmissbräuchlich erhoben worden wäre, um der Beklagten die Karenzfrist zu erhalten, behauptet die Klägerin nicht. Angesichts der vorliegend zu beurteilenden Fragen ist im Übrigen fraglich, ob überhaupt von Offensichtlichkeit gesprochen werden kann, wie dies die Klägerin behauptet. Dafür genügt jedenfalls nicht, dass die Wahrscheinlichkeit eher für den Standpunkt der Beklagten sprach. Es sind keine Gründe ersichtlich, die Hängigkeit des förmlichen Verfahrens nicht als hinreichend wichtigen Grund für den Nichtgebrauch anzusehen, wenn von einem behördlichen Entscheid der Bestand der Basismarke und damit auch der abgeleitete Schutz der schweizerischen Marke abhängt.

2.3 Die Basismarke der Beklagten war für die Warenklassen 3 und 5 bis zum 11. Januar 2001 Angriffsgegenstand im Rahmen eines von einer unabhängigen Drittperson angehobenen deutschen Widerspruchsverfahrens. Dieser Umstand ist als wichtiger Grund im Sinne von Art. 12 Abs. 1 MSchG zu qualifizieren. Bis zum formellen Abschluss dieses Verfahrens – bis zur Abweisung des Widerspruchs bzw. bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den ergangenen Entscheid – war die Benutzungsschonfrist daher unterbrochen. Beim deutschen Widerspruchsverfahren handelt es sich um ein mit dem schweizerischen Widerspruchsverfahren vergleichbares fristgebundenes Einspracheverfahren. Der Beklagten war aufgrund des Widerspruchsverfahrens gegen die deutsche Ursprungsmarke nicht zuzumuten, den Gebrauch der abgeleiteten Marke in der Schweiz aufzunehmen. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist gemäss Art. 12 Abs. 1 MSchG stand mindestens bis zum 11. Januar 2001 (bzw. bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen diesen Entscheid) still bzw. begann erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Damit kann der Beklagten nicht angelastet werden, sie habe ihre Marke FOCUS für die Klassen 3 und 5 während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gebraucht.

3. Die Klägerin bringt schliesslich vor, die Vorinstanz habe bundesrechtswidrig verneint, dass die Marke der Beklagten in den Klassen 3 und 5 als reine Defensivmarke eingetragen sei. Als Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptung führt sie hauptsächlich an, dass die Beklagte ihre Marke in den umstrittenen Klassen 3 und 5 bisher nicht gebraucht habe. Da die Beklagte sich auf einen wichtigen Grund für diesen Nichtgebrauch berufen kann, hat die Vorinstanz diesen Umstand zu Recht nicht als massgebend betrachtet. Weshalb die Beklagte zudem verpflichtet sein sollte, ihre Gebrauchsabsicht für entsprechende Waren ausdrücklich zu behaupten, ist nicht ersichtlich. Deshalb kann offen bleiben, ob das entsprechende Vorbringen der Klägerin ein unzulässiges Novum darstellt. Dass die Vorinstanz den Beweis für den angeblichen Defensivcharakter der Marke der Beklagten aufgrund der im angefochtenen Urteil festgestellten Umstände als nicht erbracht angesehen hat, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

4. Die Berufung ist abzuweisen. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Klägerin zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Klägerin hat der anwaltlich vertretenen Beklagten überdies die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG).


Demnach erkennt das Bundesgericht:

  1. Die Berufung wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 5’000.– wird der Klägerin auferlegt.

  3. Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6’000.– zu entschädigen.

  4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.


Lausanne, 20. Februar 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: …
Der Gerichtsschreiber: …

Rechtsgebiete

Markenrecht