FG Niedersachsen, Urteil vom 13. Februar 1998, VIII 267/95

FG Niedersachsen, Urteil vom 13. Februar 1998, VIII 267/95

Anerkennung eines Durchgangszimmers als Arbeitszimmer

Gericht

FG Niedersachsen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 02. 1998


Aktenzeichen

VIII 267/95


Leitsatz des Gerichts

Für die Frage, der Anerkennung eines Durchgangszimmers als Arbeitszimmer kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang das Zimmer als Durchgangszimmer oder als Arbeitszimmer genutzt wird. Der Umfang der Nutzung bestimmt sich dabei nicht typisierend nach der räumlichen Gestaltung, sondern wesentlich nach der zeitlichen Dauer der jeweiligen Nutzung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Streitig ist der Abzug von Werbungskosten für ein Arbeitszimmer, das Durchgangszimmer zum Badezimmer ist.

Der Kläger ist von Beruf Polizeimeister und als Ausbilder in der Landespolizeischule … tätig. Im Streitjahr wohnte er zusammen mit seiner Ehefrau, von Beruf Hausfrau, und dem am 24. 6. 1992 geborenen Sohn D in einer 85 qm großen 5-Zimmer-Mietwohnung in G.

In ihrer Einkommensteuererklärung des Streitjahres machten die Kläger u. a. anteilige Aufwendungen für das Arbeitszimmer des Klägers in Höhe von 1.228 DM (anteilige Miet-, Nebenkosten und Hausratversicherung) als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Arbeitszimmer ist 10 qm groß (flächenanteilig 11,76 %) und ausweislich der eingereichten Skizze mit drei offenen Schränken mit Büchern und Computerzubehör, Computertisch mit PC und Drucker und Sekretär sowie einer Grünpflanze eingerichtet. Das hinter dem Arbeitszimmer liegende Badezimmer kann nur durch das Arbeitszimmer erreicht werden. Auf die eingereichten Grundriß- und Einrichtungsdarstellungen wird Bezug genommen.

Zur beruflichen Nutzung des Zimmers erläuterte der Kläger: Er sei als Ausbilder an der Landespolizeischule für die Ausbildung im Grundausbildungs- und in weiterführenden Lehrgängen verantwortlich. Ferner führe er administrative Aufgaben in diesem Bereich durch. Im Arbeitszimmer erstelle er Unterrichtsunterlagen, Stundenübersichten und -pläne, Lehrgangsplanungen, Notenberechnungsformulare und Ablaufpläne. Dazu nutze er das Arbeitszimmer durchschnittlich zwei Stunden am Tag. Dazu fügte der Kläger eine entsprechende Bescheinigung der Landespolizeischule … vom 25. 1. 1994 bei. Im einzelnen wird auf die eingereichten Erklärungen, nebst Anlagen, Bezug genommen.

Im Einkommensteuerbescheid vom 13. Juli 1994 berücksichtigte das FA die Aufwendungen nicht. Das Arbeitszimmer sei nicht so deutlich vom Wohnbereich abgegrenzt, daß eine mehr als nur geringfügige private Nutzung ausgeschlossen werden könne. Ein Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten / Betriebsausgaben habe daher nicht erfolgen können (Durchgangszimmer zum Bad). Auf den Bescheid nebst Anlage wird Bezug genommen.

Mit ihrem Einspruch gegen den Bescheid machten die Kläger geltend, in der Durchquerung des Arbeitszimmer liege eine nur ganz untergeordnete und damit unschädliche private Mitbenutzung. In der Hauptsache werde das Bad dann benutzt, wenn das Arbeitszimmer nicht benutzt werde, z. B. morgens früh und teilweise abends. Das Badezimmer sei vom Flur aus nicht erreichbar, weil sich an der Wand zum Flur hin Armaturen für die Versorgung und Entsorgung aus bautechnischen Gründen befänden. Die geringe private Mitbenutzung folge auch daraus, daß das Arbeitszimmer nur zum Erreichen eines Raumes benutzt werde, nicht für mehrere Räume. Auf die Schreiben vom 18. 7. 1994 und 23. 2. 1995 wird Bezug genommen.

Das FA wies den Einspruch insoweit zurück. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer könnten nicht als Werbungskosten anerkannt werden, weil es als Durchgangszimmer durchquert werden müsse, um andere private Räume zu erreichen. Eine nahezu ausschließlich berufliche Nutzung des Arbeitszimmers liege somit nicht vor.

Die Kläger könnten nicht glaubhaft darlegen, daß das Arbeitszimmer nicht nur unwesentlich privat mitbenutzt werde. Die Angaben der Kläger, das Bad nur morgens und teilweise abends zu nutzen, widersprächen jeder Lebenserfahrung, wobei erschwerend hinzukomme, daß zu ihrem Haushalt ein im Streitjahr einjähriges Kind gehöre. Natürlicherweise lasse sich die Nutzung eines Badezimmers nicht ohne Einschränkung des Wohnbedürfnisses von drei Personen beschränken. Folglich liege eine nicht nur untergeordnete private Nutzung des Arbeitszimmers vor. Im einzelnen wird auf den Einspruchsbescheid vom 22. 5. 1995 Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger machen geltend, das Arbeitszimmer diene nahezu ausschließlich der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Grundsätzlich habe der Kläger jeden Tag, mit Ausnahme der meisten Wochenenden, einige Minuten bis mehrere Stunden im Arbeitszimmer verbracht. Eine genaue Zeitaufstellung sei nicht mehr möglich. Zu privaten Zwecken habe er das Zimmer nicht genutzt. Die Erstellung der Einkommensteuererklärung übernehme der Steuerberater. Der wenig anfallende private Schriftverkehr werde von der Klägerin erledigt. Alle hierfür benötigten Unterlagen befänden sich im zweiten Kinderzimmer.

Das zweite Kinderzimmer sei nicht als Kinderzimmer in Benutzung, sondern werde als Ankleide-, Bügel-, Wäsche- und Abstellzimmer genutzt.

Zur Nutzung des Badezimmers haben die Kläger vorgetragen: Das Badezimmer werde nur für die normalen privaten Zwecke (Morgentoilette, Dusche usw.) genutzt. Das Kind habe im Streitjahr die Toilette noch nicht genutzt. Es sei in seinem Zimmer gewickelt worden. Das Baden des Kindes habe im Kinderzimmer auf einem Gestell stattgefunden.

Das Badezimmer sei von den Klägern morgens und abends genutzt worden. Der Weg vom Flur in das Badezimmer sei drei Meter lang. Daraus ergebe sich eine durchschnittliche Durchquerungszeit von drei Sekunden.

Alle Gebrauchsgegenstände, die im Badezimmer benötigt würden, seien dort in Regalen und Schränken aufbewahrt. Im Arbeitszimmer seien keinerlei private Gegenstände für die Badbenutzung aufbewahrt worden.

Die Waschmaschine befinde sich im Badezimmer. Die Wäsche werde in dem in der Grundrißzeichnung als zweites Kinderzimmer ausgewiesenen Zimmer getrocknet. Eine weitere Nutzung durch ein Hobby o. ä. liege nicht vor. Als Abstellraum diene das zweite Kinderzimmer. Das größte Zimmer in der ganzen Wohnung sei das Kinderzimmer. Daher seien dort auch die Wickelkommode, der Kleiderschrank, die Babybadewanne usw. untergebracht gewesen. Die Schmutzwäsche und benutzten Windeln seien dort in eigenen Sammelbehältern aufbewahrt worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.228 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest. Im übrigen seien die Angaben der Kläger über den Umfang der privaten Mitbenutzung des Arbeitszimmers derart unglaubwürdig, daß sie grundsätzlich bei der Entscheidung über die steuerliche Anerkennung des Arbeitszimmers nicht berücksichtigt werden könnten. Nach der Wohnungsskizze befinde sich die einzige Toilette der Wohnung in dem hinter dem Arbeitszimmer liegenden Arbeitszimmer. Angesichts dessen sowie der Tatsache, daß die Klägerin im Streitjahr nicht berufstätig gewesen sei, sei es völlig ausgeschlossen, daß die Klägerin nur morgens und abends jeweils einmal das Bad aufgesucht habe. Es entspreche vielmehr der Lebenserfahrung, daß die Klägerin auch tagsüber mehrfach und selbst der Kläger abends mehr als einmal die Toilette aufgesucht hätten. An den Wochenenden und in der Urlaubszeit erhöhe sich natürlich die durch den Toilettengang erforderliche private Mitbenutzung des Arbeitszimmers.

Wenn auch das Kleinkind im Kinderzimmer gebadet werde, so werde aber das Badewasser jedenfalls aus dem Badezimmer geholt und dort wieder entsorgt. Die Küche sei örtlich weiter entfernt und die Abwaschbecken eigneten sich wohl kaum zum Füllen und Leeren einer Kinderwanne.

Da die Waschmaschine im Badezimmer stehe, müsse das Arbeitszimmer zum Be- und Entladen der Waschmaschine durchquert werden. Bei einer dreiköpfigen Familie werde dies mehrmals die Woche erfolgen müssen.

Es sei unglaubwürdig, daß die Kläger den privaten Schriftverkehr im Abstellraum und nicht im eigens dafür hergerichteten Arbeitszimmer erledigten, nur um die steuerliche Anerkennung des Arbeitszimmers nicht zu gefährden.

Die Tatsache, daß sich hinter dem Arbeitszimmer die einzige Toilette und das Bad der Wohnung befindet, bedinge eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers, wie sie bei kaum einer anderen Durchgangszimmerkonstellation umfangreicher sein könne. Da der BFH nur in Ausnahmefällen die Durchgangszimmereigenschaft des Arbeitszimmers als unschädlich angesehen habe und im Streitfall die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers durch den Kläger nicht außergewöhnlich groß sei, könne das Arbeitszimmer steuerlich nicht anerkannt werden.

Die Kläger haben darauf erwidert, das Kinderzimmer grenze an die Küche an. Von dort sei das Wasser für die Kinderbadewanne geholt und das Schmutzwasser in das Becken der Küche gegossen worden. Die Aussage des FA, daß die Küche räumlich weit entfernt sei, entspreche nicht den Tatsachen.

Die Waschmaschine befinde sich im Badezimmer. Die Wäschetrocknung erfolge in dem von den Klägern als Schrank- und Abstellraum genutzten Zimmer, das in dem Grundrißplan als zweites Kinderzimmer ausgewiesen sei. Dort befinde sich auch die Schmutzwäschetonne und der Wäschetrockner. Dort werde ebenfalls die getrocknete Wäsche gebügelt.

Im Streitjahr seien ca. zwei Waschmaschinengänge pro Woche erforderlich gewesen. Für diese Waschgänge sei lediglich das Füllen der Waschmaschine und nach abgeschlossenem Waschgang das Leeren der Waschmaschine notwendig gewesen.

Der private Schriftverkehr sei aus dem Abstellraum, welcher als zweites Kinderzimmer bezeichnet sei, erledigt worden. Alle dazu notwendigen Unterlagen hätten sich in diesem Raum befunden. Notwendige schriftliche Arbeiten seien am Tisch in der Küche respektive im Wohnzimmer vorgenommen worden. Im Arbeitszimmer seien handschriftliche Arbeiten nicht möglich, da – der dort befindliche Computertisch über keinerlei Ablageflächen für Schreibarbeiten verfüge.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Klage und die Schriftsätze vom 21. 8. und 11. 11. 1997, nebst Anlagen, sowie auf die Schriftsätze des FA vom 5. 9. 1995, 7. 5. und 2. 10. 1997 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klage ist begründet.

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen für die Lebensführung dürfen jedoch gem. § 12 Nr. 1 EStG auch dann nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sie zur Förderung des Berufs des Steuerpflichtigen erfolgen. Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch durch die Lebensführung veranlaßt sind (sog. gemischte Aufwendungen) sind demnach insgesamt nicht abzugsfähig. Ausnahmen von diesem Aufteilungs- und Abzugsverbot werden zugelassen, wenn das Hineinspielen der Lebensführung unbedeutend ist und nicht ins Gewicht fällt oder objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffend und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen unter der Voraussetzung, daß der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Schmidt / Drenseck, Kommentar zum EStG, 16. Aufl. 1997, Rdz. 11, 12 zu § 12 EStG mit weiteren Nachweisen – m. w. N.).

Aufwendungen für das Wohnen in einer Wohnung sind grundsätzlich der privaten Lebensführung zuzurechnen. Daraus folgt, daß Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nur dann als Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn feststeht, daß dieses ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird (vgl. Schmidt / Drenseck a. a. O. Rdz. 60 Stichwort Arbeitszimmer bis VZ 1995 zu § 19 EStG).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Das Gericht ist davon überzeugt, daß der Kläger das Arbeitszimmer im Streitjahr nahezu ausschließlich beruflich genutzt hat. Der Umfang der beruflichen Nutzung von durchschnittlich zwei Stunden am Tag ist angesichts der Unterrichtstätigkeit des Klägers glaubhaft und auch vom Beklagten nicht angezweifelt worden. Es ist in der Regel anzunehmen, daß im Lehrberuf tätige Personen – wie der Kläger – zur Vorbereitung auf den Unterricht im besonderen Maße darauf angewiesen sind, zu Hause zu arbeiten (vgl. BFH, Urteil vom 19. 8. 1988 VI R 69/85, BStBl II 1988, Seite 1000 f.).

Der Beklagte lehnt die Berücksichtigung der Aufwendungen unter Berufung auf das Urteil des BFH vom 19. 10. 1983 (VI R 180/82, BStBl II 1984, Seite 110 f.) lediglich deshalb ab, weil es sich um ein Durchgangszimmer zum Badezimmer handelt.

Der Beklagte hat Recht, daß aus diesem Umstand eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers folgt. Diese ist jedoch im Streitfall gegenüber dem Umfang der beruflichen Nutzung von weit untergeordneter Bedeutung.

Der Umfang der privaten Mitbenutzung des Arbeitszimmers kann nicht bereits deshalb als nicht unerheblich angesehen werden, weil das Arbeitszimmer ein Durchgangszimmer ist. Die private Mitbenutzung liegt nicht bereits in der räumlichen Gestaltung der Zimmer. Daß das Arbeitszimmer durchquert werden muß, um ins Badezimmer zu gelangen, führt noch nicht – typisierend – zu einer nicht unerheblichen privaten Mitbenutzung des Arbeitszimmers. Liegt ein Durchgangszimmer zu nur einem Raum vor – wie im Streitfall – ist nach dem Urteil des BFH vom 31. 1. 1992 (VI R 139/88, BFH amtlich nicht veröffentlichte Sammlung BFH/NV – 1992 Seite 460) nicht das vom FA angeführte Urteil vom 18. 10. 1983 einschlägig, sondern entsprechend den Grundsätzen in der Entscheidung vom 26. 4. 1985 (VI R 68/82, BStBl II 1985, Seite 467 ff.) nach den Umständen des Einzelfalls zu gewichten, ob der Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird. Die Qualifizierung eines zu beruflichen Zwecken genutzten Zimmers als Arbeitszimmer ändert sich also nicht bereits dadurch, daß sich dahinter ein nur vom Arbeitszimmer aus begehbarer privat benutzter Raum befindet.

Das Arbeitszimmer wird vielmehr erst dann und nur insoweit privat mitbenutzt, als es tatsächlich zur Nutzung des dahinter liegenden privaten Raumes durchquert wird. Für die Frage, ob das Arbeitszimmer nicht nur unerheblich privat mitbenutzt wird, kommt es deshalb nicht auf die Möglichkeit des Durchgangs an, sondern auf den tatsächlichen Umfang der verschiedenen Nutzungen. Dieser Umfang ist nicht typisierend nach der räumlichen Gestaltung, sondern nach der zeitlichen Dauer der jeweiligen Nutzungen zu bemessen.

Aus den Wohnungs- und Einrichtungsgrundrissen ergibt sich, daß es sich bei dem vom Kläger als Arbeitszimmer genutzten Raum um ein etwa quadratisches Zimmer handelt. Angesichts der Größe des Zimmers von 10 qm und der Lage der Türen zum Flur und zum Badezimmer sind die Angaben der Kläger, der Weg vom Flur in das Badezimmer sei drei Meter lang und die Durchquerung dauere durchschnittlich drei Sekunden, realistisch.

Unter Zugrundelegung dieser Durchquerungszeit ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des FA durch die Durchquerung des Arbeitszimmers zum Badezimmer keine private Mitbenutzung von nicht nur weit untergeordneter Bedeutung. Wenn beide Kläger morgens das Bad benutzt haben, die Klägerin sodann von 7.00 Uhr morgens bis 23.00 Uhr nachts alle zwei Stunden, d. h. achtmal, der Kläger nachmittags und abends weitere viermal und beide nachts jeweils zweimal das Bad benutzt haben, für das Kind weitere sechs Nutzungen des Badezimmers und zum Wäschewaschen zwei Nutzungen pro Tag gerechnet werden, ergeben sich 26 x 2 (Hin- und Rückweg) Durchquerungen des Badezimmers. Dies macht bei einer Durchquerungszeit von drei Sekunden 156 Sekunden, mithin knapp drei Minuten aus. Auch wenn am Wochenende oder für Gäste zusätzlich weitere 2 x 10 Durchquerungen gerechnet werden, ergeben sich knapp vier Minuten täglich an privater Mitbenutzung des Arbeitszimmers aufgrund der Nutzung als Durchgang zum Badezimmer.

Der Umfang dieser privaten Mitbenutzung ist gegenüber der beruflichen Nutzung von durchschnittlich zwei Stunden täglich von weit untergeordneter Bedeutung.

Es liegt auch keine sonstige private Mitbenutzung des Arbeitszimmers vor. Insbesondere reicht die Wohnung der Kläger, die in dem als zweiten Kinderzimmer angeführten Raum zusätzlich zu Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer einen weiteren Raum für private Zwecke zur Verfügung hatten, für deren private Wohnbedürfnisse aus. Die Kläger haben glaubhaft vorgetragen, daß sie sowohl ihren privaten Schriftverkehr als auch das Trocknen und Bügeln der Wäsche in diesem Zimmer aufbewahrt und erledigt haben. Auch sonstige private Nutzungen des Arbeitszimmers sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht dessen Einrichtung mit Regalen und (unstreitig beruflich genutztem) Computer auch angesichts der relativ kleinen Größe des Zimmers für die vom Kläger angeführte nahezu ausschließlich berufliche Nutzung.

Das Gericht hat die Entscheidung anhand der individuellen Umstände des Streitfalls getroffen. Es hält eine typisierende Betrachtungsweise – in der Eigenschaft eines Arbeitszimmers als Durchgangszimmer liege stets eine schädliche private Mitbenutzung, die damit dem Zimmer die Qualifizierung als Arbeitszimmer nehme – nicht für sachgerecht. Grund der typisierenden Ablehnung der Aufwendungen für Durchgangszimmer könnten Zweifel daran sein, ob in ansonsten privat bewohnten Räumlichkeiten als Arbeitszimmer angeführte Räume tatsächlich als Arbeitszimmer genutzt werden. Diesen Bedenken hat der Gesetzgeber mit der Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Arbeitszimmer teilweise Rechnung getragen.

Nach den für das Streitjahr geltenden gesetzlichen Bestimmungen kommt es nicht typisierend auf die Eigenschaft des Zimmers als Durchgangszimmer, sondern auf den jeweiligen zeitlichen Umfang der tatsächlichen Nutzungen an. Anderenfalls würden entgegen dem Gebot der Steuergerechtigkeit diejenigen Steuerpflichtigen begünstigt, die eine Wohnung mit Arbeitszimmer ohne Durchgang zur Verfügung haben und diejenigen benachteiligt, bei denen dies nicht der Fall ist, obwohl beide tatsächlich in fast gleichem Ausmaß das Arbeitszimmer beruflich und privat benutzt haben.

Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen (anteilige Miet- und Nebenkosten, anteilige Hausratversicherung) sind Einwendungen weder erhoben noch ersichtlich.

Berechnung:

zu versteuerndes Einkommen gem. Einspruchsbescheid 29.241 DM
abzüglich weitere Werbungskosten ./. 1.228 DM
zu versteuerndes Einkommen neu 28.013 DM
Einkommensteuer lt. Splittingtabelle
lt. Einspruchsbescheid 3.534 DM
Einkommensteuer neu 3.284 DM.

Im Hinblick darauf, daß der BFH gegen ein Urteil des Senats, in dem Aufwendungen für ein Durchgangszimmer nicht berücksichtigt wurden, die Revision zugelassen und die Revision mit Beschluß vom 21. 3. 1997 als unbegründet zurückgewiesen hatte (jeweils ohne Begründung) und sich die Problematik der Anerkennung von Aufwendungen für Durchgangszimmer durch die gesetzliche Neuregelung nicht gänzlich erledigt hat, läßt das Gericht gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO). Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1; EStG § 12