LG Frankfurt a. M., Berufungsurteil vom 20. Dezember 1993, 2/24 S 230/93

LG Frankfurt a. M., Berufungsurteil vom 20. Dezember 1993, 2/24 S 230/93

Verzögerte Kofferauslieferung bei Kreuzfahrt

Gericht

LG Frankfurt a. M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

20. 12. 1993


Aktenzeichen

2/24 S 230/93


Leitsatz des Gerichts

Zur Bemessung der Minderung des Reisepreises bei verzögerter Auslieferung von Reisegepäck bei Beginn einer Kreuzfahrt.

Tatbestand

Zum Sachverhalt:
Der Kl. buchte für sich und seine Ehefrau eine Schiffsreise von Vigo/Portugal nach Nizza für die Zeit vom 28. 6. -6. 7. 1992. Der Reisepreis für die Kreuzfahrt betrug 17800 DM zuzüglich eines Flugzuschlages für An- und Abflug in Höhe von 2720 DM. Bei Betreten des Schiffes wurde festgestellt, daß der Koffer der Ehefrau nicht vorhanden war. Dieser wurde vor Abfahrt des Schiffes am nächsten Nachmittag nachgeliefert. Der Kl. hat Zahlung von 2829,27 DM verlangt; dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer begehrten Minderung von 1780 DM und Schadensersatz von 1049,27 DM.

Das AG hat dem Kl. eine Minderung von 1271 DM (anteiliger Tagespreis) zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Bekl. hat das LG den Minderungsbetrag auf 508,40 DM herabgesetzt.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:
Die Kammer ist der Auffassung, daß der von dem AG zugesprochene Minderungsbetrag von 1271 DM, der einem anteiligen Tagespreis entspricht, zu hoch bemessen ist. Die Kammer billigt dem Kl. und seiner Ehefrau eine Minderung für die verspätete Anlieferung des Reisegepäcks und die damit verbundenen Mißhelligkeiten in Höhe von 40 % des anteiligen Tagespreises zu. Dabei ist – ebenso wie das AG – von dem Preis für die Schiffsreise in Höhe von 17800 DM auszugehen, während der Flugzuschlag für den An- und Abflug in Höhe von 2720 DM unberücksichtigt bleibt (Kammer, NJW-RR 1992, 890).

Bei der Bemessung des Minderungssatzes von 40 % geht die Kammer von folgenden Erwägungen aus. Nach §§ 651d I, 472 I BGB ist der Reisepreis anteilig herabzusetzen. Dabei ist neben dem Umfang der Beeinträchtigung zu berücksichtigen, ob und welche Reiseleistungen während des gleichen Zeitraumes mangelfrei erbracht wurden. Das ist in vorliegendem Fall die Schiffsunterkunft und die Verpflegung als maßgebende Hauptleistungen. Beeinträchtigt waren lediglich der Komfort der eigenen Personenausstattung. Die Kammer geht mangels gegenteiligen konkreten Vortrages des Kl. davon aus, daß die üblichen für die Körperpflege notwendigen Gebrauchsgegenstände dem Kl. und seiner Ehefrau zur Verfügung standen, da diese üblicherweise im Handgepäck verstaut sind.

Die Beeinträchtigung bestand danach darin, daß dem Kl. und seiner Ehefrau nicht die notwendige Kleidung zur Verfügung stand, um die Reisekleidung abzulegen und sich entsprechend den Gepflogenheiten auf einer Kreuzfahrt zu kleiden. Das betrifft vor allem das Auftreten in einer der Verkehrssitte üblichen Kleidung bei dem ersten Abendessen an Bord. Hinzukommt die bis zum Nachmittag des nächsten Tages verbundene Ungewißheit, ob das Reisegepäck überhaupt rechtzeitig vor Abfahrt des Schiffes noch eintreffen würde. Schließlich ist ein gewisser Zeitaufwand für die Ersatzbeschaffung zu berücksichtigen, der allerdings in Verbindung mit einem „Stadtbummel“ in Vigo und dem Besichtigen der Einkaufsmöglichkeiten gering zu veranschlagen ist. Üblicherweise werden bei Verlust bzw. verspäteter Aushändigung des Reisegepäcks Minderungsbeträge zwischen 20 % und 30 % zugebilligt. Die Kammer hat entsprechend der von ihr gehandhabten Minderungstabelle in der Regel 20 % des Tagespreises als ausreichend erachtet, während 80 % für die Vergütung der Hauptleistungen (Unterkunft, Verpflegung) erhalten bleiben. Sie ist allerdings hier der Auffassung, daß im Hinblick auf die bei einer Kreuzfahrt üblichen Gepflogenheiten, bei dem Abendessen in einer besonders ansprechenden Kleidung aufzutreten, was besonders für die Damen zutrifft (langes Abendkleid, Schmuck etc.) eine Erhöhung des Prozentsatzes auf das Doppelte gerechtfertigt ist. Damit ist allerdings den Belangen des Reisenden hinreichend Rechnung zu tragen. Es muß immerhin davon ausgegangen werden, daß die Mitreisenden bei Mitteilung über den Grund der nicht „standesgemäßen Kleidung“ sicher Verständnis hierfür aufbringen werden und bei den nachfolgenden Abenden während der Kreuzfahrt der Kl. und seine Ehefrau Gelegenheit hatten, durch entsprechende Kleidung einen etwaigen entstandenen „ungünstigen Eindruck” über ihre nicht gehobenen Verhältnisse wieder auszugleichen.

Der Kammer erscheint auch der Hinweis angebracht, daß derartige nicht selten vorkommende „Pannen“, die so kurzfristig wieder behoben werden, von dem Reisenden üblicherweise mit Gelassenheit hingenommen werden und nach deren Beseitigung schnell wieder verblassen. Sie dürften das Erlebnis der Kreuzfahrt nicht mehr beeinträchtigt haben.

Die Kammer hat bei der Berechnung der Minderung den anteiligen Tagespreis von 1271 DM für beide Reiseteilnehmer zugrundegelegt. Zwar muß nach dem Vortrag des Kl. davon ausgegangen werden, daß in dem verzögert ausgelieferten Koffer „der Ehefrau“ sich nur Kleidungsstücke der Ehefrau des Kl. befanden, so daß auch nur diese sich einen Tag nicht angemessen kleiden konnte, während der Kl. selbst nicht gehindert war, sich in einer der Kreuzfahrt angemessenen Kleidung zu bewegen. Bei dieser Sachlage aber war auch der Kl. durch die Diskrepanz des Kleidungsniveaus selbst beeinträchtigt. Dies gilt vor allem für das Abendessen, da üblicherweise ein solches Auseinanderklaffen in der Kleidungsweise von anderen Teilnehmern der Kreuzfahrt Anlaß zu Fragen und Redereien gibt; der Kl. konnte sich deshalb bei dem Abendessen ebenfalls „nicht wohl in seiner Haut fühlen“. Außerdem hat die Gefahr, daß der Koffer nicht rechtzeitig vor Auslaufen des Schiffes noch eintreffen würde, die Stimmungslage beider Ehegatten gleichmäßig getrübt, ohne daß es darauf ankommt, inwieweit die in erster Linie beeinträchtigte Ehefrau bei dem Stadtbummel in Vigo am Vormittag des Abfahrttages ihrem Mißmut Ausdruck verlieh.

Auf die in der Berufungsbegründung erwähnten Ersatzbeschaffungen ist nicht einzugehen, da die von der Bekl. eingelegte Berufung nur die zugesprochene Minderung von 1271 DM betraf. Die mit Schriftsatz vom 29. 11. 1993 eingelegte Anschlußberufung des Kl. hat dieser nach Belehrung über ihre Unzulässigkeit wieder zurückgenommen.

Rechtsgebiete

Reiserecht

Normen

BGB § 651d I