LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15. August 2011, 2-24 S 185/10

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15. August 2011, 2-24 S 185/10

Noch nicht fertig gestellte Hotelanlage

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 08. 2011


Aktenzeichen

2-24 S 185/10


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger machen gegen die Beklagte als Reiseveranstalterin reisevertragliche Gewährleistungsrechte geltend.

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Reise in das Hotel I. in Tunesien in der Zeit vom 12.6.-26.6.2010 zu einem Gesamtreisepreis von 1.698,- EUR. …

Als die Kläger in der Hotelanlage ankamen, war das Hotel noch nicht fertig gestellt. Insoweit liefen noch Fertigstellungsarbeiten.

Die Kläger wandten sich unter dem 14.6.2010 beschwerdeführend an die Reiseleitung der Beklagten vor Ort und rügten verschiedene Mängel. …

Nach Urlaubsrückkehr meldeten die Kläger mit Schreiben vom 1.7.2010 Ansprüche gegenüber der Beklagten an.

Mit Schreiben vom 18.8.2010 nahm die Beklagte dazu Stellung und übersandte einen Scheck von 340,- EUR, der seitens der Kläger als Teilzahlung eingelöst worden ist. Im Übrigen lehnte die Beklagte weitere Forderungen der Kläger ab, so auch mit weiterem Schreiben vom 31.8.2010.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 10.9.2010 erfolgte eine erneute Anspruchsanmeldung.

Mit anwaltlichen Schreiben der Beklagten vom 11.10.2010 wies die Beklagte die weiter geltend gemachten Ansprüche nochmals zurück.

Die Kläger machen eine Reisepreisminderung von 80% des Gesamtreisepreises und eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude abzüglich der vorgerichtlichen Zahlung geltend.

Die Kläger behaupten, die Reise sei mit erheblichen Reisemängeln behaftet gewesen, insbesondere sei die Hotelanlage zu großen Teilen noch nicht fertig gestellt gewesen und es habe erhebliche Bauarbeiten mit entsprechenden erheblichen Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen gegeben. …

Die Kläger behaupten, sie hätten aus dem Internet erfahren, dass das gebuchte Hotel noch nicht fertig gestellt gewesen sei. Insoweit hätten sie kurz vor Reiseantritt bei der Beklagten diesbezüglich nachgefragt. Es sei mitgeteilt worden, dass das Hotel fertig gestellt sei. …

Die Beklagte stellt das Vorliegen von erheblichen Reisemängeln in Abrede.

Die Beklagte behauptet, weitere als in der Gesprächsnotiz vom 14.6.2010 aufgeführte Mängel seien seitens der Kläger nicht gerügt worden. …

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Kläger zu 1) und 2) haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs. 3 und 4 BGB in Höhe von jeweils insgesamt 466,75 EUR.

Der Kläger zu 2) ist als Reiseanmelder aktivlegitimiert und die Klägerin zu 1) aus dem Gesichtspunkt des Vertrages zugunsten Dritter.

Die Reise der Kläger in das Hotel I. in Tunesien in der Zeit vom 12.6.-26.6.2010 war im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB massiv mängelbehaftet.

a) Es stellt einen erheblichen Reisemangel dar, dass die Hotelanlage unstreitig noch nicht fertig gestellt war.

Diesbezüglich ist erheblich zu berücksichtigen, dass die Hotelanlage nämlich in großen Teilen noch nicht fertig gestellt war. Es handelte sich mitnichten um unwesentliche Restarbeiten. Wesentliche Einrichtungen waren nicht nutzbar.

Von den gemäß Prospektbeschreibung von der Beklagten reisevertraglich geschuldeten Einrichtungen fehlten bzw. waren noch im Bau bzw. wurden nicht angeboten:

Thalassotherapiezentrum, Empfangshalle mit Rezeption, A-la-carte Restaurant, Maurisches Cafe, Piano-Bar, Sonnenterrasse, Diskothek, Pool-Snackbar (ab 18.6.10 geöffnet), Hallenbad, Friseur, Hamam, Gesichts- und Körperbehandlungen, Massagen, Tagesanimation / Abendveranstaltungen.

Soweit die Beklagte pauschal behauptet, dass Freizeit-, Fitness- und Wellness-Angebote zur Verfügung standen, ist dieser Sachvortrag unsubstantiiert. Angesichts des konkreten Vortrags der Kläger zu den nicht vorhandenen Einrichtungen, hätte es an der Beklagten gelegen darzulegen, welche konkreten Freizeit-, Fitness- und Wellness-Angebote im gebuchten Hotel zur Verfügung standen.

Darauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 7.7.2011 hingewiesen. Eine Substanziierung erfolgte nicht.

Dass Thalasso und die Diskothek im Nachbarhotel genutzt werden konnten, lässt einen Reisemangel nicht entfallen. Diese Einrichtungen waren nämlich im gebuchten Hotel reisevertraglich geschuldet und nicht im Nachbarhotel. Dies ist lediglich im Rahmen der Bemessung der Minderungsquote zu berücksichtigen.

b) Weiterhin stellt es einen weiteren erheblichen Mangel dar, dass eine Vielzahl von Bauarbeiten in der Hotelanlage durchgeführt worden sind.

Die Kläger haben im Einzelnen substanziiert dargelegt, dass die Bauarbeiten täglich von 6:00 Uhr morgens bis in die Nacht (1:30 Uhr), und zwar auch über die Mittagsruhe, durchgeführt wurden und sie insoweit während dieser Zeit erheblichen Baulärm ausgesetzt waren. Dieser war sowohl in den Zimmern, der Hotelanlage und am Strand deutlich wahrnehmbar.

Es handelte sich insbesondere auch um lärmintensive Baumaßnahmen. So waren die Kläger bereits in den frühen Morgenstunden Presslufthammer-, Säge-, Flex- und Baggerlärm ausgesetzt. Weiterhin wurden u. a. Fenster ausgestemmt und eingesetzt und Rohre verlegt.

Bagger und Baumaschinen fuhren über den Strand und führten dort Arbeiten aus. Am Pool wurde noch das Fliesenmosaik verlegt. Weiterhin lag in der Hotelanlage Bauschutt.

Diese erheblichen Bauarbeiten und Beeinträchtigungen ergeben sich auch klar und deutlich aus den von Klägerseite vorgelegten Lichtbildern nebst Beschreibung. Diese sprechen für sich.

Dass erhebliche Bauarbeiten durchgeführt worden sind, ist auch plausibel und nachvollziehbar. Denn wenn ein Großteil der Hotelanlage nicht fertig gestellt ist, liegt es auf der Hand, dass es weiterer Bauarbeiten bedarf, um die Fertigstellung herbeizuführen.

Das Gericht hat auch keinen Zweifel daran, dass diese Bauarbeiten mit Schmutz- und Staubbeeinträchtigungen einhergingen.

Dagegen ist das pauschale Bestreiten der Beklagten bzgl. des Ausmaßes der Emissionsbelastungen und der Bauarbeiten unsubstanziiert und damit unerheblich. Konkreter Gegenvortrag der Beklagten zum Ausmaße der Emissionsbelastungen und der Bauarbeiten liegt nicht vor. Aufgrund des substanziierten Klägervortrags konnte sich die Beklagte nicht auf ein pauschales Bestreiten zurückziehen, zumal sie eingeräumt hat, dass die Hotelanlage nicht fertig war. Darauf hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 7.7.2011 hingewiesen. Eine Substantiierung erfolgte nicht.

c) Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Gericht hinsichtlich der massiven Reisemängel in der Form der unfertigen Hotelanlage und der Bauarbeiten eine Minderungsquote von insgesamt 60% für angemessen und ausreichend.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass massive Reisemängel vorgelegen haben. Große Teile der Hotelanlage waren noch gar nicht fertig gestellt. Damit hat die Beklagte ihre reisevertraglichen Verpflichtungen gemäß Prospektbeschreibung schon grob verletzt.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass Thalasso und die Diskothek im Nachbarhotel genutzt werden konnten. Jedoch werden die Ausstattungsmängel des gebuchten Hotels dadurch nicht wesentlich abgemildert.

Weiterhin sind die massiven Bauarbeiten mit den entsprechenden Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen zu würdigen. Dadurch wurde der Urlaub der Kläger ganz erheblich beeinträchtigt.

Insoweit hat auch das Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. in einem Parallelfall für das gleiche Hotel in der gleichen Reisezeit (Juni 2010) für nahezu identische Mängel eine Minderungsquote von 60% für angemessen erachtet (Urteil v. 31.3.2011 – 2 C 2553/10).

d) Weiterhin stellt es einen erheblichen und einen eine selbstständige Minderung rechtfertigenden Reisemangel dar, dass die Beklagte ihre reisevertraglichen Informationspflichten schuldhaft verletzt hat.

Diesen Reisemangel haben die Kläger auch geltend gemacht, in dem sie vortragen, dass die Beklagte sie über die nicht fertig gestellte Hotelanlage getäuscht habe. Dies findet sich auch schon in der Anspruchsanmeldung der Kläger vom 1.7.2010.

Nach den Klägerausführungen ist im Ergebnis auch davon auszugehen, dass bei einer korrekten Aufklärung über die massiven Mängel durch die Beklagte die Kläger nicht in dieses Hotel gereist wären.

aa) Die Kammer hat in verschiedenen Entscheidungen die Gewährung einer selbstständigen Minderung für die Verletzung von Informationspflichten durch den Reiseveranstalter für möglich und gerechtfertigt gehalten (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a. M. vom 21.6.2007 – 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06, vom 28.3.2008 – 2-24 S 139/07, … und vom 25.10. 2010 – 2-24 S 35/10).

Insoweit ist aber nochmals weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Die Kammer ist nämlich keineswegs der Ansicht und hat dies auch so nicht entschieden, dass für jede Informationspflichtverletzung des Reiseveranstalters eine selbstständige Reisepreisminderung gerechtfertigt ist. Vielmehr bleibt dies immer einer Einzelfallprüfung vorbehalten; die Gewährung einer selbstständigen Minderung stellt regelmäßig den Ausnahmefall dar. Eine selbstständige Minderung kommt nämlich regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sich die (vorsätzliche) Informationspflichtverletzung des Reiseveranstalters auf wesentliche negative Abweichungen der vom Reiseveranstalter geschuldeten Hauptleistungen bezieht, also z. B. wenn der Reiseveranstalter wesentliche Reisemängel, wie z.B. Hotelüberbuchung oder halbfertige Hotelanlage verschweigt oder verharmlost. Von wesentlichen Reisemängeln ist in der Regel dann auszugehen, wenn diese im Ergebnis eine Kündigung des Reisevertrages gemäß § 651e Abs.1 BGB rechtfertigen würden. Insoweit muss sich die Informationspflichtverletzung in anschließenden wesentlichen Reisemängeln widerspiegeln (vgl. Beschluss der Kammer v. 17.1.2011 – 2-24 S 176/10, …).

Dies rechtfertigt sich daraus, dass die vom Reiseveranstalter geschuldete Gesamtheit von Reiseleistungen auch die Beseitigung aller denkbaren Reisehindernisse umfasst. Deshalb hat der Reiseveranstalter den Reisenden grundsätzlich ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise erforderlichen Umstände zu informieren. Er muss den Reisenden über alle wesentlichen Veränderungen zwischen Buchung und Reiseantritt im Zielgebiet informieren (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 21.6. 2007 – 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06; vom 28.3.2008 – 2-24 S 139/07, …; LG Dortmund, …; Führich, Reiserecht [6. Aufl., 2010], Rn.140 m.w.N., 313 m.w.N.; Staudinger / Eckert, BGB [2003], § 651a, Rn. 123 m.w.N.).

Der Reisende darf nämlich darauf vertrauen, dass der Reiseveranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt und ihn demgemäß auch nachträglich auf jede nachteilige Veränderung seiner Reiseleistung, die die gebuchte Reise zu beeinträchtigen geeignet ist, rechtzeitig hinweist (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 21.6.2007 – 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06, vom 28.3.2008 – 2-24 S 139/07, …; LG Düsseldorf, …).

Bei der Verletzung von Informationspflichten handelt es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht des Reiseveranstalters, welche verschuldensunabhängig Gewährleistungsansprüche begründet wie Minderung nach § 651d BGB, wenn die tatsächliche Reiseleistung von der versprochenen abweicht und Schadensersatz nach § 651f Abs. 1 BGB (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 21.6. 2007 – 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06, vom 28.3.2008 – 2-24 S 139/07, …; Führich, Reiserecht [6. Aufl., 2010], Rn. 141, 237 m.w.N.; Staudinger / Eckert, BGB [2003], § 651a, Rn. 123 m.w.N.).

Unter dieser Prämisse hält die Kammer weiterhin daran fest, dass die Verletzung von Informationspflichten eine Reisepreisminderung rechtfertigen kann, jedenfalls dann, wenn sich die Informationspflichtverletzung auf solche wesentliche Reisemängel bezieht, die zu einer Kündigung des Reisevertrages gemäß § 651e BGB berechtigen. Die Kammer hält insoweit auch die Gewährung einer Minderung anstatt lediglich eines Schadensersatzanspruches für sachgerecht und praktikabel (zustimmend LG Dortmund, …; LG Köln, …; Führich, Reiserecht [6. Aufl., 2010], Rn. 141; Schmid, …; Hirtz-Weiser, Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. zum Reisevertragsrecht, …; ablehnend OLG Celle, …; Matern, …).

Nach Auffassung der Kammer führt diese Auffassung entgegen der Ansicht des OLG Celle (a.a.O.) nicht zu einer doppelten Minderung des Reisepreises wegen desselben Mangels. Vielmehr handelt es sich um zwei unterschiedliche Reisemängel. Sowohl die Erfüllung der Informationspflichten als auch die Erbringung der Reiseleistungen an sich stellen jeweils Hauptleistungspflichten dar. Danach können im Ergebnis auch zwei “verschiedene” Schlechtleistungen vorliegen. Durch die Verletzung der Informationspflichten wird der Reisende dahingehend beeinträchtigt, dass er keine fundierte Entscheidung mehr darüber treffen kann, ob er die Reise durchführen will oder nicht. Hat der Reisende sodann die Reise angetreten, wird er vor Ort durch die tatsächlich vorhandenen Reisemängel beeinträchtigt. Insoweit sind zwei verschiedene und gleichsam geschützte “Rechtsgüter” beeinträchtigt (vgl. dazu auch in diesem Sinne Hirtz-Weiser, Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. zum Reisevertragsrecht, …).

Nach Auffassung der Kammer lässt sich dem § 4 BGB-InfoV nicht entnehmen, dass dieser eine abschließende Aufzählung der Hinweispflichten des Reiseveranstalters beinhaltet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass § 4 BGB-InfoV lediglich die Mindestverpflichtungen für den Reiseveranstalter statuiert, zumal sich diese Vorschrift lediglich auf Angaben im Prospekt bezieht. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der Reiseveranstalter verpflichtet ist, den Reisenden über wesentliche Änderungen der Reiseleistungen vor Antritt der Reise zu informieren (vgl. obige Nachweise zu Rspr. und Literatur).

bb) Ihren Informationspflichten ist die Beklagte als Reiseveranstalterin der durchgeführten Reise offensichtlich nicht nachgekommen.

Wie bereits oben dargelegt bestanden hinsichtlich des gebuchten Hotels massive Reisemängel. Das Hotel war bei weitem noch nicht fertig gestellt und es liefen noch ganz erhebliche Bauarbeiten.

Insoweit ist es vorliegend bei einer anzunehmenden Minderungsquote von insgesamt 60% offensichtlich, dass auch nach der neueren Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil v. 17.12.2009 – 2-24 S 140/09, …) die Voraussetzungen für die Kündigung des Reisevertrages gemäß § 651e BGB vorgelegen hätten.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände wäre die Beklagte daher verpflichtet gewesen, die Kläger vor Reiseantritt auf diese Umstände (fehlende Fertigstellung und Bauarbeiten) hinzuweisen.

Diese Unterlassung hat die Beklagte auch zu vertreten.

Die Beklagte kann sich nämlich nicht erfolgreich pauschal darauf berufen, dass ihr diese Umstände nicht bekannt gewesen seien.

Nach den Gesamtumständen erscheint dies schon wenig glaubhaft und plausibel. Ausweislich der Prospektbeschreibung sollte das Hotel im Sommer 2010 eröffnet werden. Insoweit ist es naheliegend, dass die Beklagte, die dieses Hotel zur Buchung anbietet, auch überprüft, ob das Hotel tatsächlich fertig ist bzw. den Fertigstellungsgrad überwacht. Jedenfalls wäre sie ihren Kunden gegenüber dazu verpflichtet gewesen. Dies gilt umso mehr als die Beklagte auch Reiseleiter vor Ort hat. Vorliegend erfolgte die Rüge vor Ort am 14.6. 2010, also zwei Tage nach Reiseantritt. Insoweit ist es angesichts der massiven Fertigstellungsproblematik nicht nachvollziehbar, dass der Reiseleitung der Beklagten vor Ort dies verborgen geblieben sein soll. Dieser Zustand muss zwangsläufig schon geraume Zeit vor Reiseantritt der Kläger geherrscht haben.

Weiterhin ist nach dem unbestrittenen Klägervortrag davon auszugehen, dass entsprechende Berichte über die fehlende Fertigstellung der Hotelanlage im Internet verfügbar waren.

Die Beklagte hat jedenfalls keine Erklärung dafür gegeben, warum ihr die Fertigstellungsproblematik trotz der objektiven Umstände nicht bekannt gewesen sein will.

Dies kann letztlich aber auch dahinstehen, da die Fertigstellungsproblematik und die massiven Bauarbeiten in der Hotelanlage dem Hotelbetreiber, also dem Leistungsträger der Beklagten, offensichtlich und zweifellos bekannt gewesen sind.

Die Kenntnis des Leistungsträgers ist dem Reiseveranstalter gemäß § 166 BGB zuzurechnen (so auch Hirtz-Weiser, Die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. zum Reisevertragsrecht, …).

Nach all dem liegt eine der Beklagten zurechenbare vorsätzliche Informationspflichtverletzung in Bezug auf die Fertigstellungsproblematik und die massiven Bauarbeiten in der Hotelanlage vor.

Durch die unterlassene vollständige und umfassende Information nahm die Beklagte den Klägern die Möglichkeit, eine fundierte und objektive Entscheidung darüber zu treffen, ob sie trotz der ganz massiven Fertigstellungsprobleme in die Hotelanlage reisen wollen oder von der Reise Abstand nehmen wollen.

Hinsichtlich der Bemessung der Minderung für eine Informationspflichtverletzung kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwere der Informationspflichtverletzung.

Nach Auffassung der Kammer ist bei einer Informationspflichtverletzung aber regelmäßig eine Minderungsquote von 10% anzusetzen, was im Regelfall angemessen und ausreichend ist. Jedoch kann in begründeten Ausnahmefällen eine geringere oder höhere Minderungsquote angezeigt sein.

Vorliegend handelt es sich um eine gravierende Informationspflichtverletzung. Angesichts der massiven Mängel und der groben Nachlässigkeit der Beklagten hinsichtlich der Überprüfung der Hotelfertigstellung ist von einer gewichtigen Informationspflichtverletzung auszugehen.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht für den vorliegend erheblichen Reisemangel “Verletzung der Informationspflicht” vorliegend eine Minderungsquote von 15% für angemessen und ausreichend.

e) Die Kläger haben die oben genannten Reisemängel ausweislich der Gesprächsnotiz vom 14.6.2010 auch gemäß § 651d Abs. 2 BGB gerügt. Der Reisemangel “Verletzung der Informationspflicht” gemäß § 651d II BGB ist darin inzident enthalten, nämlich in der Rüge der Nichtfertigstellung des Hotels.

Insoweit haben die Kläger substanziiert vorgetragen, dass die Reiseleitung der Beklagten keine gleichwertige Ersatzunterkunft anbieten konnte. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Eine Anspruchsanmeldung gemäß § 651g Abs. 1 BGB ist ebenfalls erfolgt, nämlich mit Schreiben vom 1.7.2010.

f) Bei einem Gesamtreisepreis von 1.698,- EUR für zwei Personen ergibt sich ein Reisepreis pro Person von 849,- EUR. Bei einem Gesamt-Reisepreis pro Person von 849,- EUR ergibt sich bei einer Minderungsquote von insgesamt 75% für die gesamte Reisezeit ein Minderungsbetrag von 636,75 EUR pro Person.

Davon ist die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 340,- EUR in Abzug zu bringen. Diese ist hälftig auf die Kläger aufzuteilen. Danach ergibt sich pro Person ein Abzugsbetrag von 170,- EUR.

Es verbleibt ein Minderungsbetrag von 466,75 EUR pro Person.

g) Weitere Reisemängel sind nicht festzustellen.

Ausweislich der Prospektbeschreibung waren eine Internetecke und ein Zimmerservice “Rund um die Uhr” nicht geschuldet.

Im Übrigen war der klägerische Sachvortrag zu weiteren Mängel unsubstanziiert.

Die Tatsachen in Bezug auf Reisemängel, also die tatsächlichen Zustände vor Ort, müssen nämlich so konkret vorgetragen werden, dass sich das Gericht selbst aufgrund ausreichender objektiver Anknüpfungstatsachen einen umfassenden Eindruck von den behaupteten Reisemängeln machen kann, um beurteilen zu können, ob ein minderungsrelevanter Mangel oder lediglich eine Unannehmlichkeit vorlag. Erforderlich sind daher Angaben über Art, Intensität, Häufigkeit und Dauer sowie die Auswirkungen auf den Reisenden im Einzelnen.

Der Vortrag zu den Wasser- und Stromausfällen, den Verpflegungsmängeln und den Hygieneverletzungen genügt diesen Ansprüchen nicht.

Das konkrete Ausmaß der Wasser- und Stromausfälle und der Hygieneverletzungen wird nicht ausreichend dargelegt. Die Beschreibung der Verpflegungsmängel erschöpft sich in subjektiven Bewertungen.

Auf diese Punkte hat das Gericht bereits in der Ladungsverfügung hingewiesen. Eine Substanziierung erfolgte nicht.

Hinsichtlich der Glasscherbe am Strand lässt sich nicht ausschließen, dass es sich dabei um einen einmaligen Vorfall handelte, der noch entschädigungslos hinzunehmen ist.

Nach all dem können die Kläger zu 1) und 2) jeweils die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von jeweils 466,75 EUR von der Beklagten beanspruchen.

2) Die Kläger zu 1) und 2) haben jeweils einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von jeweils 650,- EUR gemäß § 651f Abs. 2 BGB.

Nach der weiterhin ständigen Rechtsprechung der Kammer (Urteil v. 31.8.2006 – 2-24 S 281/05, …; Urt. v. 7.12.2007 – 2-24 S 53/07, …; Urt. v. 17.12. 2009 – 2-24 S 140/09; …) liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f Abs. 2 BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% gerechtfertigt ist.

Diese Voraussetzungen sind nach den obigen Ausführungen offensichtlich erfüllt.

Die Beklagte hat die Reisemängel auch zu vertreten.

Im Falle eines Reisemangels wird zu Lasten des Reiseveranstalters gemäß § 651f Abs. l, 2 BGB vermutet, dass er den Mangel zu vertreten hat. Dem Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muss er darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen – zu denen sein Leistungsträger gehört – und keiner von den Erfüllungsgehilfen des Leistungsträgers verschuldet hat. Dabei muss der Reiseveranstalter für sämtliche ernstlich in Betracht kommenden Schadensursachen den Entlastungsbeweis erbringen.

Die Beklagte hat eine Entlastung schon nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere liegt keine Entlastung hinsichtlich des Leistungsträgers als ihrem Erfüllungsgehilfen vor.

Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (…) als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat.

Der Reisepreis belief sich pro Person auf 849,- EUR.

Insoweit orientiert sich die Kammer bei der Bemessung der Entschädigung regelmäßig an der festgesetzten Minderungsquote.

Unter dieser Prämisse und einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Gericht eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 650,- EUR pro Person für ausreichend und angemessen.

3) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 247 BGB.

Das Schreiben der Beklagten vom 31.8.2010 stellt eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung dar.

4) Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten scheidet aus.

Die Kläger haben das Anspruchsanmeldeverfahren gemäß § 651g Abs. 1 BGB persönlich durchgeführt.

Im Rahmen dieser Korrespondenz hat die Beklagte mit Schreiben vom 31.8.2010 eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung erklärt.

Infolge dessen ist vorliegend eine Beauftragung eines Anwalts mit einer (zunächst) rein außergerichtlichen Tätigkeit nicht angezeigt und verstößt gegen die Schadensgeringhaltungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB). Vielmehr ist in einem solchen Falle unmittelbar Klageauftrag zu erteilen. …

Rechtsgebiete

Reiserecht