LG Koblenz, Urteil vom 28. April 2006, 13 O 2/06

LG Koblenz, Urteil vom 28. April 2006, 13 O 2/06

Auslegung: „eine Ermächtigung” heißt nicht „uneingeschränkte Ermächtigung”

Gericht

LG Koblenz


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 04. 2006


Aktenzeichen

13 O 2/06


Tenor

  1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft verboten,

    zu behaupten oder zu verbreiten,

    der Verfügungskläger habe “in Form von Gegendarstellungen in der örtlichen Presse … falsche Behauptungen” aufgestellt.

  2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Antragsteller ist …, der Antragsgegner … .

In ihrer Lokalausgabe für den Kreis … veröffentlichte die … unter der Überschrift “Vorsorge-… im … Krankenhaus” einen Artikel, in dem über … durch den Verfügungskläger informiert wurde. In einem Folgeartikel vom … (Bl. 12 GA) heißt es u. a.: “Allerdings haben weder er…” (gemeint: der Verfügungskläger) “… noch ein anderer Krankenhausarzt für … eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung.” Hierzu berief sich die … u. a. auf den Verfügungsbeklagten.

Auf Betreiben des Verfügungsklägers veröffentlichte die … (Bl. 10 GA) und … (Bl. 63 GA) Gegendarstellungen, die im Kern lauteten: “In der … wird … in Bezug auf mich behauptet: ,Allerdings haben weder er noch ein anderer Krankenhausarzt für … eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung.’ Diese Behauptung ist unrichtig. Ich habe eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung für … . Weiter wird behauptet: ,Demnach dürfe … nur dann eine … übernehmen, wenn der Patient von den Vertragsärzten, die diese Leistung selbst durchführen, überwiesen wird.’ Auch diese Behauptung ist unrichtig. Ich darf auch in Fällen eine … übernehmen, in denen der Patient von einem Vertragsarzt überwiesen wurde, der lediglich … durchführt.”

Hierauf reagierte der Verfügungsbeklagte mit einem am … unter der Überschrift “Falsche Behauptungen” abgedruckten Leserbrief, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger zur Durchführung von … berechtigt ist. Dort hieß es u. a.: “Aus diesem Grund finde ich es nicht akzeptabel, wenn die in Form von Gegendarstellungen in der örtlichen Presse aufgestellten falschen Behauptungen unwidersprochen im Raume stehen bleiben.”

Der Verfügungskläger behauptet, er habe in seinen Gegendarstellungen keine falschen Behauptungen aufgestellt. Zum Umfang seiner Berechtigung zur Durchführung von … beruft er sich auf einen Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte in … vom …, wegen dessen Wortlaut auf die Anlage ASt. 5 (Bl. 111 GA) Bezug genommen wird.

Der Verfügungskläger beantragt,

dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft,

verboten,

zu behaupten und/oder zu verbreiten,

der Verfügungskläger habe “in Form von Gegendarstellungen in der örtlichen Presse… falsche Behauptungen” aufgestellt.

Der Verfügungskläger beantragt,

den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Verfügungskläger sei tatsächlich nicht in dem von ihm behaupteten Umfang zur Durchführung von … berechtigt. Er dürfe diese vielmehr bei Kassenpatienten nur dann abrechnen, wenn ihm der Patient von einem Kassenarzt überwiesen worden sei, der seinerseits zur Durchführung von … berechtigt sei. Hierzu beruft sich der Verfügungsbeklagte auf einen Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte im … vom … (Anlage ASt. 4, Bl. 13 GA) sowie eine schriftliche Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung vom … (Bl. 92 GA). Soweit die … am … ausgeführt habe, der Verfügungskläger habe überhaupt keine Ermächtigung für die Durchführung der …, liege dem eine entsprechende Behauptung des Verfügungsbeklagten gegenüber der … nicht zugrunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat auch in der Sache Erfolg. Die begehrte Eilentscheidung ist gemäß §§ 935, 938, 940 ZPO zu erlassen.

Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 823 Abs. 1 i. V. m. 1004 BGB.

Der Verfügungskläger hat in für die Zwecke des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichender Weise glaubhaft gemacht, dass er vom Verfügungsbeklagten die Unterlassung der Behauptung verlangen kann, er – der Verfügungskläger – habe in Form von Gegendarstellungen falsche Behauptungen aufgestellt. Die Kammer geht einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache davon aus, dass die (beiden) Behauptungen, die der Verfügungskläger mit seinen Gegendarstellungen aufgestellt hat, richtig sind.

Das gilt zunächst für die erste Behauptung des Verfügungsklägers, er habe eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung für die … . Dass der Verfügungskläger überhaupt (wenn auch nur unter bestimmten, zwischen. den Parteien des vorliegenden Verfahrens streitigen Voraussetzungen) berechtigt ist, … durchzuführen bzw. bei Kassenpatienten durchgeführte … abzurechnen, stellt letztlich auch der Verfügungsbeklagte nicht in Abrede. So ist unstreitig, dass der Verfügungskläger … dann durchführen darf, wenn ihm der Patient von einem Vertragsarzt überwiesen worden ist, der seinerseits zur Durchführung von … berechtigt ist. Unstreitig ist auch, dass der Verfügungskläger … durchführen darf bei Kassenpatienten mit … oder …, die ihm von Vertragsärzten zugewiesen wurden, die ihrerseits entweder … oder … durchführen. Liegen aber damit schon zwei Konstellationen vor, in denen der Verfügungskläger unstreitig zur Durchführung von … berechtigt ist, so ist die erste Behauptung aus seinen Gegendarstellungen, er habe eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung für die …, nicht falsch. Sie ist insbesondere auch für den unbefangenen Leser nicht zu verstehen als Behauptung, er habe eine uneingeschränkte Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung für die … .

Der Verfügungsbeklagte bestreitet zwar, dass die mit der Gegenvorstellung des Verfügungsklägers angegriffene pauschale Darstellung der … vom … (“… Allerdings haben weder er noch ein anderer Krankenhausarzt für die … eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung”) auf eine entsprechende Darstellung des Verfügungsbeklagten gegenüber der … zurückgehe. Hierauf kommt es indes für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens nicht an. Denn jedenfalls mit dem Leserbrief vom … hat der Verfügungsbeklagte beide Darstellungen des Verfügungsklägers in seinen Gegendarstellungen als falsch bezeichnet, einschließlich derjenigen, der Verfügungskläger habe eine Ermächtigung für die …; gegen eine Wiederholung der Behauptungen aus dem Leserbrief – nicht irgendwelcher Behauptungen gegenüber der … – wendet sich der Verfügungskläger im vorliegenden Verfahren.

Der Verfügungskläger hat mit seinen Gegendarstellungen des weiteren behauptet, er dürfe auch in Fällen eine … übernehmen, in denen der Patient von einem Vertragsarzt überwiesen wurde, der lediglich … durchführt. Auch die Richtigkeit dieser Behauptung hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, so dass er im Wege der einstweiligen Verfügung bis zur Entscheidung der Hauptsache vom Verfügungsbeklagten die Unterlassung der Behauptung verlangen kann, die Sachdarstellung des Verfügungsklägers sei falsch.

Auszugehen hatte die Kammer vom Wortlaut der vom Verfügungskläger erwirkten Gegendarstellungen. Danach behauptet er, “in Fällen” (nicht: “in allen Fällen”) eine … übernehmen bzw. abrechnen zu können, in denen der Patient von einem Vertragsarzt überwiesen wurde, der lediglich … durchführt. Maßgeblich ist also, ob es überhaupt Fälle gibt, in denen der Verfügungskläger … darf, obwohl der überweisende Vertragsarzt selbst lediglich zur … berechtigt ist. Dass es solche Konstellationen gibt, hat der Verfügungskläger hinreichend glaubhaft gemacht durch Vorlage des Beschlusses des Berufungsausschusses für Ärzte in … (Anlage ASt. 5, Bl. 111 GA).

Der Verfügungskläger war zunächst mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte im Regierungsbezirk … (Anlage ASt. 4, Bl. 13 GA) ermächtigt zur Durchführung der … gemäß Krebsfrüherkennungsrichtlinien (nur) “auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten, die zur präventiven und/oder kurativen … berechtig sind”. Danach musste in jedem Fall der überweisende Arzt selbst zur Durchführung der … berechtigt sein.

Dieser Beschluss vom … ist indes ausdrücklich abgeändert worden durch den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte in … (Anlage ASt. 5, Bl. 111 GA). Nach dem Tenor des Beschlusses vom … wurde der Verfü¬gungskläger “zur Differentialdiagnostik und Therapie von Patienten mit … oder … ermächtigt.” Er könne “zur Ausführung dieser Leistungen nur auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten in Anspruch genommen werden, die … und/oder … durchführen” (Hervorhebungen der Kammer). Diese Formulierung “… und/oder …” ist dahin gehend zu verstehen, dass der überweisende Vertragsarzt berechtigt sein muss entweder (nur) zur Durchführung von … oder (nur) zur Durchführung von … oder zur Durchführung von … und … . Danach genügt also auch die Überweisung durch einen selbst nur … Arzt. Sie genügt, wie sich aus der einleitenden Bezugnahme im Tenor (“zur Ausführung dieser Leistungen”) ergibt, für die Untersuchung “zur … und Therapie von Patienten mit … oder …, d. h. für die kurative … bei den genannten Krankheitsbildern in Abgrenzung zur (von der Entscheidung des Berufungsausschusses nicht erfassten) präventiven … .

Dem Verfügungsbeklagten ist zuzugeben, dass die der Entscheidung des Berufungsausschusses beigegeben Gründe in einem gewissen Widerspruch stehen dürften zu dem so verstandenen Tenor. Denn in den Gründen führt der Berufungsausschuss aus, die Einschränkung seitens des Zulassungsausschusses hinsichtlich des Kreises der überweisungsbefugten Ärzte unterliege “keinen grundsätzlichen Bedenken”. Das kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass mit dem Tenor der Entscheidung vom 22.09.2004, dessen Wortlaut die Kammer insoweit für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens als entscheidend ansieht, auf den Widerspruch des Verfügungsklägers (der ausweislich der Gründe eine Erweiterung des Kreises der überweisungsberechtigten Ärzte gerade erstrebt hatte) der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 20.04.2005 ausdrücklich hinsichtlich des Kreises der überweisungsberechtigten Ärzte abgeändert worden war.

Keine ausschlaggebende Bedeutung misst die Kammer im vorliegenden Verfahren auch der Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung vom … (Bl. 92 GA) zu.

Zwar heißt es dort, der Verfügungskläger dürfe die präventive … nur auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten erbracht werden, die zur präventiven/kurativen … berechtigt sind, die kurative … nur auf Überweisung von niedergelasse¬nen Vertragsärzten, die die kurative … selbst erbringen. Das schließt eine … – verfolge sie kurative oder präventive Zwecke – auf Überweisung eines nur … Vertragsarztes aus. Demgemäß versteht auch der Verfügungsbeklagte die Entscheidung des Berufungsausschusses vom 22.09.2004 dahin gehend, der überweisende Vertragsarzt müsse entweder zur Durchführung (nur) von … oder zur Durchführung sowohl von … als auch von … berechtigt sein.

Die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung nimmt indes nur auf die “derzeit geltende Ermächtigung vom … Bezug, ohne darauf einzugehen, dass die Ermächtigung vom 20.04.2004 in ihrem ursprünglichen Form gerade nicht mehr gilt, sondern auf Widerspruch des Verfügungsklägers durch den Berufungsausschuss teilweise abgeändert worden ist. Damit bleibt offen, ob diese Abänderung bei Erteilung der Auskunft vom … inhaltlich nicht beachtet, etwa schlicht übersehen, wurde oder ob und ggf. warum ihr die Kassenärztliche Vereinigung nicht den sachlichen Gehalt beimisst, der dem Beschluss vom 22.09.2005 nach dem Wortlaut seines Tenors bei vorläufiger Bewertung im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens zukommt, sondern – gegenüber dem Wortlaut enger – nur denjenigen, den ihr der Verfügungsbeklagte zuschreibt.

Auf die ergänzende Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung vom … (Anlage AG 3, Bl. 135 GA) kann sich der Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang nicht berufen. Zwar heißt es dort zur Erläuterung des Beschlusses vom 22.09.2005, der im dritten Absatz beschriebene Überweiserkreis – niedergelassene Vertragsärzte, die … und/oder … durchführen – stehe in keinem Zusammenhang zu dem die … betreffenden Teil der Ermächtigung des Verfügungsklägers. Auch legt die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung vom … letztlich eine dem Verfügungskläger ungünstigere Bewertung des Umfangs seiner Ermächtigung nahe. Diese z. T. sehr differenzierten und strittigen Fragen des Kassenarztrechts abschließend zu entscheiden, wird indes einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten sein. Im vorliegenden Eilverfahren ist die Stellungnahme vom 12.04.2006 aus prozessualen Gründen unbeachtlich, weil sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist, ein Schriftsatznachlass dem Verfügungsbeklagten hierzu nicht eingeräumt war (§§ 283, 156 ZPO) und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Verfahren wegen Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht kommt. Die Kammer verkennt nicht, dass eine solch vorläufige Entscheidung auf ungesicherter Erkenntnisgrundlage für die Parteien wenig befriedigend sein mag. Eine solche Situation zu vermeiden, war Zweck der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2006 vorgeschlagenen gütlichen Einigung zur Verfahrensweise, dem näherzutreten sich der Verfügungskläger indes außerstande sah.

Angesichts der verbleibenden Ungewissheiten hinsichtlich des Umfanges der Berechtigung des Verfügungsklägers hatte die Kammer ihrer Entscheidung im vorliegenden Verfahren den für sich genommen eindeutigen Wortlaut des Tenors der Entscheidung vom … zugrunde zu legen. wie auch der Verfügungskläger als Adressat des Beschlusses vom 22.09.2004 vorbehaltlich besserer eigener Sachkenntnis bei Erwirkung seiner Gegendarstellungen darauf vertrauen konnte, dass der Tenor dieses Beschlusses die Rechtslage zutreffend zum Ausdruck bringt.

Nach alledem hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass er, entsprechend dem Tenor des Beschlusses vom …, kurative … zur … und Therapie von Patienten mit … oder entzündlichen … auch durchführen kann, wenn der überweisende Vertragsarzt nur zur Durchführung von … ermächtigt ist. Er braucht einstweilen nicht hinzunehmen, dass der Verfügungsbeklagte die Darstellung des Verfügungsklägers in seiner Gegendarstellung als falsche Behauptung bezeichnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert wird auf 7.000,- € festgesetzt.

Rechtsgebiete

Presserecht