LG Offenburg, Urteil vom 21. Dezember 2000, 3 O 469/00

LG Offenburg, Urteil vom 21. Dezember 2000, 3 O 469/00

Gegendarstellungsfähigkeit von Fragen

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 12. 2000


Aktenzeichen

3 O 469/00


Leitsatz des Gerichts

  1. Echte Fragen sind nicht gegendarstellungsfähig.

  2. Bei der Titelüberschrift Prinzessin „Caroline von Monaco wieder schwanger?“ handelt es sich um eine nicht gegendarstellungsfähige echte Frage.

(Leitsätze der NJW-RR-Redaktion)

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten darum, ob der Ast. ein presserechtlicher Gegendarstellungsanspruch zusteht. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Ag. verlegt die Zeitschrift N. Das Titelblatt der Ausgabe Nr. 45 (vom 31. 10. 2000) zeigt auf der rechten Hälfte ein großformatiges Bild der Ast.; auf der linken Hälfte befindet sich die Titelzeile „Prinzessin Caroline Wieder schwanger? Ihre Figur sorgt für neue Gerüchte“. Im Innenteil wird unter der Überschrift „Mit 43 noch mal Mutter? Prinzessin Caroline Schwanger? Ihre Figur sorgt für neue Babygerüchte“ ausgeführt, dass der Auftritt der Ast. bei einem Gala-Dinner in New York bei Teilnehmern dieser Veranstaltung die Frage habe aufkommen lassen, ob die Ast. wieder schwanger sei. Die Ast. sieht in dieser Äußerung eine falsche Tatsachenbehauptung. Sie hat die Ag. auffordern lassen, die beigefügte Gegendarstellung abzudrucken. Dies hat. die Ag. abgelehnt.

Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Entscheidung über das Begehren der Ast. steht und fällt damit, ob die verfahrensgegenständliche Äußerung als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren ist oder nicht. Denn nur Tatsachenbehauptungen sind gegendarstellungsfähig (vgl. § 11 I des BWPresseG). Die Kammer ist unter Würdigung aller Umstände der Ansicht, dass es sich bei der von der Ast. beanstandeten Äußerung um ein Frage und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend:

Das BVerfG hat in einem Beschluss vorn 9. 10. 1991 (BVerfGE 85, 23 = NJW 1992, 1442) im Einzelnen dargelegt, dass Fragen neben den Werturteilen und Tatsachenbehauptungen eine eigene semantische Kategorie bilden; sie machen keine Aussage, sind vielmehr auf eine Antwort gerichtet, die in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen kann. Bei der Kategorie „Fragen“ sind wiederum zwei Untergruppen zu unterscheiden, nämlich die „echten“ – tatsächlich auf eine Antwort durch einen Dritten gerichteten – Fragen und die gemeinhin als „rhetorisch“ bezeichneten Fragen. Letztere werden nicht um einer – inhaltlich noch nicht feststehenden – Antwort willen geäußert, bilden vielmehr selbst die Aussage, die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellt.

Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, dass für die Qualifizierung echte Frage/rhetorische Frage nicht allein auf die sprachliche Form abgestellt werden kann, die Zuordnung zu der einen oder anderen Unterkategorie vielmehr gegebenenfalls mit Hilfe von Kontext und Umständen der Äußerung vorgenommen werden muss, wobei – im Zweifel – von einem weiten Fragebegriff auszugehen ist.

Ausgehend hiervon ist festzustellen, dass es sich bei der von der Ag. publizierten Äußerung: „Prinzessin Caroline wieder schwanger?“ bzw.: „Mit 43 noch mal Mutter? Prinzessin Caroline schwanger?“ um eine ergebnisoffene, somit „echte“ Frage handelt (ebenso OLG Hamburg unter Bezugnahme auf die eben erwähnte Entscheidung des BVerfG in einem Urteil vom 10. 11. 1994 – 3 U 194/94 – zu der Titelschlagzeile „Prinzessin Caroline Neues Mutterglück?“ und der Artikelüberschrift „Prinzessin Caroline – Monaco wartet auf die Hochzeit und das Baby“, veröffentlicht in: AfP 1995, 517).

An dieser Wertung vermag entgegen der Ansicht der Ast. nichts der Umstand zu ändern, dass die Ag. auf der Titelseite und im Artikel selbst die weitere Äußerung abgedruckt hat „Ihre Figur sorgt für neue (Baby-)Gerüchte“. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wollte man den presserechtlich Verantwortlichen im Gegendarstellungsrecht günstiger behandeln, der – nur – eine echte Frage publiziert, als den, der gleichzeitig auch den Anlass mitteilt, der ihn zu dieser öffentlichen Fragestellung veranlasst hat, hier nämlich die durch Kleidung und Auftreten der Ast. bei dem erwähnten Gala-Dinner veranlassten Mutmaßungen und Gerüchte im Teilnehmerkreis dieser Veranstaltung. Anhaltspunkte dafür, dass es solche Mutmaßungen und Gerüchte gar nicht gegeben habe oder aber die Ag. sich diese bei der Berichtserstattung hierüber als eigene Aussage über die Ast. zu Eigen gemacht habe, sind weder vorgebracht noch sonst ersichtlich.

Die Kammer verkennt nicht, dass die Herausnahme von „echten“ Fragen aus der Gegendarstellungsfähigkeit dazu verlocken kann, Äußerungen verstärkt in Frageform in die Öffentlich-keit zu tragen (Zweifel an der Anwendbarkeit des „weiten“ Fragebegriffs im Gegendarstellungsrecht werden auch von Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rdnrn. 374, 375 geäußert). Das kann jedoch keine Rechtfertigung dafür abgeben, auch echte Fragen unter den Begriff „Tatsachenbehauptung“ zu subsumieren. Dies scheitert schon denkgesetzlich daran, dass es gegenüber einer ergebnisoffenen, echten Frage eben keine Berichtigung in Form einer spiegelbildlichen, publikationsfähigen Gegendarstellung gibt. Missbräuchen in diesem Bereich kann – wie erwähnt – auch im Gegendarstellungsrecht gesteuert werden, wenn die Gesamtschau ergibt, dass es sich tatsächlich nur um eine „rhetorische“ Frage handelt, die inhaltlich einer Tatsachenbehauptung gleichsteht. Selbst wenn aber der relativ schnell durchzusetzende, dafür aber an strenge Formalien geknüpfte Gegendarstellungsanspruch in Einzelfällen nicht greift, wird der Betroffene damit noch nicht zum schutzlosen „Freiwild“. Ihm können – abhängig von der jeweiligen Fallgestaltung und den jeweils im Einzelnen weiter zu prüfenden besonderen Anspruchsvoraussetzungen – unter Umständen auch Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und auch Schmerzensgeld zustehen.

Rechtsgebiete

Presserecht

Normen

BWPresseG § 11