OLG Brandenburg, Urteil vom 13. September 2005, 11 U 20/05

OLG Brandenburg, Urteil vom 13. September 2005, 11 U 20/05

Keine Haftung für offenkundige Gefahrenstellen

Gericht

OLG Brandenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 09. 2005


Aktenzeichen

11 U 20/05


Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:


I.

Der Kläger nimmt den Beklagen auf materiellen und immateriellen Schadenersatz wegen eines Unfalls in Anspruch, den er am 19.06.2003 auf dem Grundstück des Beklagten erlitten hat.

Der Beklagte führte an seinem Wohnhaus Bauarbeiten durch. An einen Anbau des Hauses schloss er eine Terrasse an, die am Unfalltag noch nicht fertiggestellt war. Die Lage der Terrasse war erhöht, ca. 80 cm hoch. Ihr Belag sollte auf bereits errichteten – umlaufenden – Mauern ruhen. Vor dem Unfalltag hatte der Beklagte die künftige Terrassenfläche mit ca. 10 mm starken Kunststoffplatten abgedeckt, die auf Holzleisten auflagen und die er mit einigen Steinen beschwert hatte. Von dem Anbau des Hauses zur künftigen Terrasse gab es einen – damals noch offenen – Durchgang, von den Parteien übereinstimmend als “Durchbruch” bezeichnet. Der Beklagte beabsichtigte, die Fassade des Hauses verklinkern zu lassen. Der Kläger als Außendienstmitarbeiter der I… GmbH sollte auf Bitten des Beklagten dafür ein Angebot erstellen und hatte mit ihm für den 19.06.2003 einen Aufmaßtermin vereinbart. Der Kläger war im Besitz ihm vom Beklagten überreichter Zeichnungen, in denen der bereits erwähnte “Durchbruch” noch nicht maßgenau wiedergegeben war. Deshalb sollte der Kläger gemäß einer Absprache der Parteien die Fläche des Durchbruchs ausmessen, sozusagen als Aussparung der künftigen Klinkerfläche.

Am Unfalltag empfing der Beklagte auf dem von ihm bewohnten Grundstück den Kläger und besichtigte sodann bei einer gemeinsamen Begehung mit ihm und der Zeugin W…, der Lebensgefährtin des Beklagten, die Hausfassade. Nachdem die Parteien die Seite des Hauses erreicht hatten, auf dem sich der Durchbruch sowie der vorbereitete Terrassenbau befanden, bestieg der Kläger in unmittelbarer Nähe der Terrasse am Boden liegende Schwerbetonsteine und betrat von dort aus die Abdeckung. Die Kunststoffplatten brachen sogleich unter seinem Gewicht ein, und er stürzte nach unten. Dabei zog sich der Kläger Brüche beider Fersenbeine zu.

Die Verletzung machte eine Operation erforderlich. Außerdem musste sich der Kläger Rehabilitationsmaßnahmen unterziehen. Er war bis zum 25.01.2004 arbeitsunfähig geschrieben.

Der Kläger hat Schmerzensgeld verlangt, das er in Höhe von mindestens 30.000,00 € für angemessen hielt, und darüber hinaus im erheblichen Umfang den Ersatz materiellen Schadens geltend gemacht. Wegen seines Vortrags dazu im Einzelnen wird auf seine erstinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht dadurch verletzt, dass er den Bereich der späteren Terrasse nicht abgesperrt und auch kein Warnschild aufgestellt habe. In diesem Zusammenhang hat er – bestreitend – vorgetragen, der Beklagte habe ihn zu keinem Zeitpunkt mündlich vor dem Betreten der Abdeckplatten gewarnt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2004 zu zahlen; 2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden – letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen – aus dem Unfall vom 19.06.2003 auf der Baustelle … Stra ße 3, F…, zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen; 3. an ihn 24.772,67 € Schadensersatz nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat den Haftungsgrund abweichend bewertet. In diesem Zusammenhang hat er behauptet, dem Kläger, als dieser “einen Schritt in Richtung Platten” gemacht habe, warnend zugerufen zu haben, dass er sie nicht betreten dürfe.

Der Beklagte hat weiter vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass dem Kläger das Ausmessen des Mauerdurchbruchs ohne Betreten der Abdeckplatten – etwa von außen, auf den Hohlblocksteinen stehend – möglich gewesen sei.

Schließlich hat der Beklagte die Auffassung vertreten, seiner Sicherungspflicht vor allem angesichts des Umstandes hinreichend nachgekommen zu sein, dass er auf dem Grundstück keinen allgemeinen Verkehr eröffnet, sondern den Kläger eigens dazu eingelassen und ihn bei seinem Rundgang auch stets begleitet habe.

Den Klagevortrag zur Höhe des angeblichen materiellen Schadens hat der Beklagte in einzelnen Punkten bestritten.

Das Landgericht hat durch Vernehmung der Lebensgefährtin des Beklagten, der Zeugin W…, Beweis erhoben. Auf die Sitzungsniederschrift der Kammer vom 22.12.2004 wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen. Danach hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil Bezug.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er das angefochtene Urteil, was seine Zahlungsanträge angeht, in geringfügig beschränktem Umfang angreift. Er verlangt nunmehr Schadenersatz in Höhe von 50.639,37 €.

Zum Grund des Anspruchs greift er das Urteil wie folgt an: Das Landgericht habe die mögliche Anspruchsgrundlage aus einem Verschulden vor Vertragsschluss unberücksichtigt gelassen. Sie komme ebenso zum Tragen wie die in erster Instanz ausdrücklich geltend gemachte Delikthaftung des Beklagten.

Bereits bei der Vertragsanbahnung, so der Kläger, bestehe die Pflicht, sich so zu verhalten, dass die Rechtsgüter des anderen nicht verletzt würden. Daher, so der Kläger, seine erstinstanzliche Argumentation unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht wiederholend, hätte der Beklagte ihn auf die sich in unmittelbarer Nähe seines Tätigkeitsbereichs befindende Gefahrenquelle hinweisen müssen. Denn es sei logisch und für die Vertragsbeteiligten erkennbar gewesen, dass der Kläger in unmittelbarer Nähe zur Fassade haben arbeiten müssen. Daher sei es Sache des Beklagten gewesen, ihn zumindest bei der Annäherung an den Terrassenbereich auf die Gefahren eines Betretens der Platten hinzuweisen. Die vom Beklagten behauptete – und bestrittene – mündliche Warnung sei jedenfalls zu spät gekommen.

Der Kläger bekräftigt seine Auffassung, die vor der späteren Terrasse gelagerten Steine hätten sich nicht nur für ihn, sondern auch für andere als “Behelfstreppe” dargestellt. Das Betreten der Terrassenabdeckung mit ihrer Zuhilfenahme habe daher nahegelegen. Die Steine hätten jedenfalls, so seine Argumentation, durch eine, wenn auch nur gelegentliche, Nutzung des Beklagten eine Widmung als Behelfstreppe erfahren.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des am 26.01.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam den Beklagten zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von 50.639,37 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über den Zinssatz der EZB seit dem 16.07.2004 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall vom 19.06.2003 auf der Baustelle … Straße 3 in F…, zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt dabei seinen Sachvortrag und seine rechtliche Argumentation aus erster Instanz.

Im Übrigen nimmt der Senat auf die von den Parteien eingereichten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze nebst ihren Anlagen ergänzend Bezug.


II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.


III.

In der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers indessen keinen Erfolg. Auf der Grundlage des Klagevortrages lässt sich bereits eine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Beklagten nicht feststellen.

Dies ist das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung des Sachverhalts sowohl unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Haftung als auch dem einer etwaigen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten; letztere stellt der Kläger in den Vordergrund seiner rechtlichen Argumentation im Rahmen der Berufungsbegründung.

Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, dass von einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung der Parteien und dem Bestehen gegenseitiger vorvertraglicher Pflichten zum Unfallzeitpunkt auszugehen ist.

Gemäß § 311 Abs. 2 Ziffer 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch durch die Anbahnung eines Vertrages, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Es ist unstreitig, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers eine vertragliche Beziehung anbahnten. Der Beklagte beabsichtigte, die Fassade seines Hauses verklinkern zu lassen, mit dem Kläger bzw. der von ihm repräsentierten GmbH also einen Werklieferungsvertrag zu schließen. Zu diesem Zweck trat der Kläger als Vertreter der I… GmbH mit dem Beklagten in Kontakt. Parteien des Schuldverhältnisses i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich die Parteien des in Aussicht genommenen Vertrages, hier also der Beklagte einerseits und die GmbH andererseits. Berechtigt können in entsprechender Anwendung des § 328 BGB unter Umständen aber auch Dritte sein (vgl. Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., Rn. 20 zu § 311).

In Frage kommt im Streitfall ein Vertrag bzw. eine Vertragsanbahnung mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Einbezogen in den Drittschutz waren auch nach der früheren – engeren – Rechtsauffassung stets Körperschäden eines Dritten.

An dessen Einbeziehung in den vertraglichen Schutz sind indessen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1976, 1844). Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Dritten sind seine Leistungsnähe, sein Einbeziehungsinteresse, die Erkennbarkeit seiner Einbeziehung für den Schuldner und sein Schutzbedürfnis. Der Dritte muss mit der Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger selbst. Dies ist im Streitfall ohne Zweifel gegeben. Gerade der Kläger, nicht aber die von ihm repräsentierte GmbH, waren bei der Begehung des Grundstücks jedenfalls Schutzpflichtverletzungen mit der Folge einer körperlichen Schädigung ausgesetzt. Die Rechtsprechung macht zudem den Drittschutz davon abhängig, dass der Gläubiger, hier also die GmbH, an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll (vgl. BGH NJW 1976, 1844). Die Erfüllung auch dieser Voraussetzung dürfte im Streitfall außer Zweifel stehen angesichts der Tatsache, dass gerade der Kläger in seiner Eigenschaft als im Außendienst der GmbH tätiger Mitarbeiter Grundstücke künftiger Kunden regelmäßig betreut und dabei Gefahren ausgesetzt sein kann, was kaum auf die Organe der GmbH zutreffen wird. Aus der Sicht der GmbH kann es daher nur als sinnvoll angesehen werden und wünschenswert sein, ihre Außendienstmitarbeiter in den Vertragsschutz jedenfalls insoweit einzubeziehen, als ihr Schutz vor Gesundheitsgefahren in Frage steht.

Eine Haftung des Schuldners, hier des Beklagten, dem Dritten gegenüber, kommt nur in Betracht, wenn die Drittbezogenheit der Leistung und die Gläubigernähe des Dritten für ihn erkennbar sind. Auch dies steht im Streitfall außer Frage. Der Kläger ist für den Beklagten erkennbar als Repräsentant der I… GmbH aufgetreten.

Schließlich ist auch ein Schutzbedürfnis des Klägers zu bejahen. An der Ausdehnung des Vertragsschutzes auf den Dritten muss nämlich nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ein auf Treu und Glauben begründetes Bedürfnis bestehen. Ein zusätzlicher Drittschutz ist daher dann ausgeschlossen, wenn der Dritte wegen des Sachverhalts, aus dem er seinen Anspruch herleitet, einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch gegen den Gläubiger oder einen anderen hat (vgl. BGH NJW 1996, 2929; OLG Köln NJW-RR 2003, 101). Einen Ausschlussgrund in diesem Sinne gibt es im Streitfall nicht. Denn der Kläger hat einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch weder gegen die GmbH noch eine andere juristische oder natürliche Person. Die bloße Konkurrenz mit etwaigen deliktischen Schadenersatzansprüchen würde dem Kläger indessen nicht schaden.

Ungeachtet einer somit – auch – in Betracht kommenden vertraglichen Haftung des Beklagten muss dem vom Landgericht lediglich unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten geprüften Klagebegehren auch in der Berufungsinstanz der Erfolg versagt bleiben. Die Prüfung beider Anspruchsgrundlagen, §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB einerseits und § 823 Abs. 1 BGB andererseits, führt, wie das Landgericht im Ergebnis bereits zutreffend erkannt hat, nicht zur Feststellung einer Pflichtverletzung des Beklagten, sei es im Sinne einer Verkehrssicherungspflichtverletzung, sei es im Sinne einer Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht.

Dies führt zur Abweisung der Klage insgesamt als unbegründet, also nach allen drei Klageanträgen. Zwar hat das Landgericht den Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2.) bereits als unzulässig behandelt mit der Begründung, der Kläger habe insoweit das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 156 ZPO nicht dargelegt. Denn nachdem er die Arbeit wieder aufgenommen habe, sei nicht zu erwarten, dass ihm aus der vor 1 1/2 Jahren erlittenen Verletzung ein weitergehender, noch nicht zu beziffernder Sach- oder Vermögensschaden entstehen könne. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Die Begründung des Landgerichts in diesem Punkt greift schon deshalb zu kurz, weil der Kläger sein Feststellungsbegehren auch auf immateriellen Schaden erstreckt hat. Vor allem aber überzeugen die Ausführungen des Landgerichts deshalb nicht, weil angesichts der Art und Schwere der vom Kläger vorgetragenen Verletzungen weitere Folgen materieller oder immaterieller Art nicht ausgeschlossen werden können.

Steht somit lediglich die Begründetheit der Klage in Frage, bleibt es dennoch bei dem klageabweisenden Ergebnis erster Instanz.

Zu der den Kern der rechtlichen Auseinandersetzung bildenden Frage einer dem Beklagten etwa vorzuwerfenden objektiven Pflichtverletzung hat die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung – jeweils freilich unter dem Gesichtspunkt der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht – Grundsätze entwickelt, die sich auch der Senat zu Eigen macht. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, veröffentlicht in NJW 1978, 1629 und in NJW 1985, 1078, sowie des OLG Köln, veröffentlicht in VersR 1992, 1241, und schließlich des OLG Hamm, veröffentlicht in VersR 1992, 629, 630 sowie VersR 2003, 605, verwiesen.

Es besteht kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, und kein Verbot, sie zur Selbstgefährdung zu veranlassen. Daher kann, wer sich selbst verletzt, einen anderen wegen dessen Mitwirkung nur dann in Anspruch nehmen, wenn dieser einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung eröffnet hat (vgl. zusätzlich BGH NJW 1986, 1865). Das ist insbesondere der Fall, wenn der andere eine Gefahrenquelle für Dritte schafft oder in seinem Verantwortungsbereich andauern lässt. Dann hat er die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen und die notwendigen Vorkehrungen zu deren Schutz zu treffen. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst, wenn sich für einen sachkundig Urteilenden die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können. Geschützt sind im Grundsatz diejenigen Personen, mit deren Gefährdung der Pflichtige üblicherweise rechnen muss. Nicht hingegen Personen, die sich unbefugt in den Gefahrenbereich begeben, insbesondere wenn sich eine untypische Gefahr verwirklicht, die bei einem Befugten nicht eingetreten wäre, es sei denn, dass erfahrungsgemäß mit einem Fehlverhalten Dritter zu rechnen ist (vgl. zusätzlich OLG Köln VersR 1992, 1241).

Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Daher muss nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahren erforderlich und zumutbar sind, d. h. die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs (vgl. BGH NJW 1985, 1076, 1078) im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlich abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (vgl. BGH NJW 1978, 1629). Der Dritte ist vor Gefahren zu schützen, die er selbst bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. OLG Hamm VersR 2003, 605). Dabei können Besonderheiten sowohl in der Person des Verpflichteten wie des Gefährdeten bedeutsam sein. Hingegen scheidet eine Pflichtverletzung des in Anspruch Genommenen und damit seine Schadenersatzverpflichtung dann aus, wenn die Gefahrenquelle mit einer “Selbstwarnung” versehen ist, der Verletzte also bei von ihm zu erwartender vernünftiger Bewertung all dessen, was er – rechtzeitig – wahrnehmen konnte, die Verwirklichung der Gefahr vorauszusehen und zu vermeiden vermochte.

So liegt der Fall hier. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang die Bewertung der räumlichen, sachlichen und persönlichen Umstände des vom Sicherungspflichtigen, hier dem Beklagten, eröffneten Verkehr zum Unfallzeitpunkt. Gegenstand der rechtlichen Würdigung ist dabei insbesondere auch das Ergebnis der persönlichen Anhörung beider Parteien im Senatstermin, wie es in die Sitzungsniederschrift Eingang gefunden hat.

Im Streitfall hat der Beklagte nicht etwa einem von ihm nicht zu kontrollierenden Personenkreis eine Gefahrenquelle – etwa auf einem unumzäunten Grundstück – zugänglich gemacht. Das Grundstück des Beklagten war vielmehr zum Unfallzeitpunkt von ihm und seiner Lebensgefährtin bewohnt. Der Kläger erhielt nur nach Anmeldung und Verabredung mit dem Beklagten Einlass auf das umfriedete Grundstück. Der Kläger betrat das Grundstück aus beruflichen Gründen, nämlich um dem Beklagten eine Verklinkerung zu verkaufen und mit diesem Ziel bestimmte Messungen vorzunehmen. Der Kläger beging das Grundstück nicht alleine. Vielmehr begleitete ihn der Beklagte nach der übereinstimmenden Darstellung beider Parteien auf Schritt und Tritt. Der Kläger als Außendienstmitarbeiter eines mit der Verklinkerung von – fertigen und unfertigen – Gebäuden befassten Unternehmens ist “baustellenerfahren”. Er begab sich mithin in eine typische, ihm vertraute Gefahrensituation. Die Terrasse war für jeden, auch für den Kläger, erkennbar noch nicht fertig gestellt. Einen festen Belag hatte sie nicht. Es lagen Kunststoffplatten auf. Sie waren nach dem Beklagtenvortrag, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist, sichtbar mit Steinen beschwert, was darauf hindeutete, dass das Abdeckmaterial nicht schwer war, sondern gegen Wind geschützt werden musste. Auch für einen Erwachsenen, der keine Bauerfahrung hat, liegt auf der Hand, dass Kunststoffplatten, deren Stärke er nicht geprüft hat, nicht ohne weiteres das Körpergewicht eines Erwachsenen tragen.

Dies alles führt zu der zusammenfassenden Bewertung, dass die Örtlichkeit mit von einer hinreichenden, für den Kläger zu erkennenden “Selbstwarnung” ausgestattet war.

Die Argumentation des Klägers läuft – auch – darauf hinaus, dass der Beklagte mit der Bereitstellung einer von ihm so bezeichneten “Behelfstreppe” ihn gewissermaßen zum Betreten der unfertigen Terrasse eingeladen habe. Dies vermag der Senat selbst auf der Grundlage des Klagevortrags nicht festzustellen.

Der Kläger selbst hat, am 22.12.2004 persönlich vom Landgericht angehört, erklärt, er habe die Terrasse “über am Boden liegende oder stehende Schwerbetonsteine” betreten. Bei seiner persönlichen Befragung durch den Senat hat er darüber hinaus ausgeführt, er habe sich beim Betreten der Platten “so recht … nichts” gedacht. Somit hat der Kläger die Steine zwar als “Behelfstreppe” benutzt. Dass der Beklagte sie tatsächlich so angeordnet habe, dass sie aus der Sicht des Klägers als für diesen Zweck bereitgestellt angesehen hätten werden dürfen, wird hingegen vom Kläger nicht mit hinreichend konkretem Sachvortrag unterlegt.

Die Darstellung des Beklagten, er sei davon ausgegangen, dass der Kläger den “Durchbruch” auch ohne Betreten der Abdeckplatten habe vermessen können, ist nicht von der Hand zu weisen. Jedenfalls sprechen die örtlichen Gegebenheiten nicht dagegen. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch den Senat hat der Beklagte dazu – wiederum unwidersprochen – dargelegt, der “Durchbruch” habe sich, vom Standort neben der Terrassenaufmauerung gerechnet, nur ca. 25 cm entfernt befunden. Das heißt also, dass der Durchbruch mit ausgeklappten Zollstock vermessen werden konnte, ohne dass das Betreten der Terrassenabdeckung überhaupt erforderlich war.


IV.

Im Sinne der vorangegangenen Rechtsausführungen müsste selbst bei abweichender Beurteilung mit dem Ergebnis einer Bejahung einer Pflichtverletzung seitens des Beklagten jedenfalls ein ganz erhebliches, überwiegendes Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 1 BGB angenommen werden, das ein etwaiges Verschulden des Beklagten insgesamt zurücktreten lasse. Auch insoweit teilt der Senat die entgegenstehende Auffassung des Klägers und Berufungsführers nicht.


V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Senat hat keine grundsätzliche Rechtsfrage zu entscheiden. Vielmehr beruht das Urteil, wie seiner Begründung entnommen werden kann, auf einer eingehenden Bewertung der Einzelfallumstände. Auch gibt es keine Abweichung von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung.

Rechtsgebiete

Haftungsrecht; Haftungsrecht

Normen

BGB § 823