OVG Lüneburg, Berufungsurteil vom 8. Mai 1995, 12 L 6679/93

OVG Lüneburg, Berufungsurteil vom 8. Mai 1995, 12 L 6679/93

Übernahme von Bestattungskosten

Gericht

OVG Lüneburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

08. 05. 1995


Aktenzeichen

12 L 6679/93


Leitsatz des Gerichts

Dem Verpflichteten, der naher Angehöriger des Verstorbenen ist, kann in der Regel zugemutet werden, die von dritter Seite und dem Nachlass nicht gedeckten Kosten der Beerdigung in Höhe von 50 % des die Einkommensgrenze des § 79 BSHG übersteigenden Betrages aufzubringen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Am 13. 9. 1992 starb die Mutter des Kl., der die Bekl. Hilfe zur Pflege in einem Altenheim gewährt hatte. Das Altenheim unterrichtete die Bekl. unter dem 29. 9. 1992 über den Tod der Hilfeempfängerin. Am 12. 10. 1992 beantragte der Kl. bei der Bekl., die Kosten der Bestattung zu übernehmen. Mit Schreiben vom 19 10. 1992 übersandte der Kl. der Bekl. die Rechnung des Bestattungsunternehmens über 5256,07 DM, auf der Rechnung ist vermerkt, die AOK habe 2100 DM geleistet. Mit Bescheid vom 26. 10. 1992 lehnte die Bekl. den Antrag mit der Begründung ab, er sei zu spät gestellt worden, nämlich erst nachdem das Bestattungsunternehmen beauftragt worden sei. Den Widerspruch wies die Bekl. zurück.

Die Berufung der Bekl. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung der Bekl. ist nur teilweise begründet.

Zu Recht hat das VG entschieden, § 5 VGHG sei im Rahmen von § 15 BSHG nicht anzuwenden, es hat aber den Anteil der Bestattungskosten, den der Kl. selbst zu tragen hat, nicht zutreffend ermittelt.

In der Rechtsprechung des 4. Senats des OVG (Urt. v. 4. 4. 1984 – 4 A 378/82 und st. Rspr. u.a. vgl. DÖV 1992, 413) ist geklärt, dass § 5 BSHG auf die Vorschrift des § 15 BSHG nicht anzuwenden ist. Dazu hat der 4. Senat ausgeführt:

§ 15 BSHG setzt Hilfsbedürftigkeit des “Verpflichteten” nicht voraus, regelt also nicht einen typischen Sozialhilfeanspruch. Auch wäre es mit dem Wesen des Sterbefalles nicht zu vereinbaren, von den Verpflichteten”, also in der Regel den nächsten Angehörigen des Verstorbenen, zu verlangen, dass sich diese noch vor der Beerdigung wegen der Kosten an das Sozialamt wenden. Das Strukturprinzip des Sozialhilferechtes, das § 5 BSHG ausdrückt – keine Hilfe für die Vergangenheit -, ist deshalb auf § 15 BSHG nicht anzuwenden. Dann kommt es nicht darauf an, ob es auch “Verpflichtete” geben mag, denen es zuzumuten wäre, sich noch vor der Beerdigung des Verstorbenen an das Sozialamt zu wenden. Aus diesen Gründen schließt sich der Senat nicht der abweichenden Meinung des OVG Hamburg (FEVS 39, 144) an.

Diese Auffassung hält auch der 12. Senat für zutreffend. Er geht deshalb nicht näher auf die Auffassung des OVG Hamburg (FEVS 39, 144) ein. Das OVG Hamburg begründet seine Auffassung – nur – damit, dass § 15 BSHG eine Vorschrift des BSHG und deshalb auch § 5 BSHG anzuwenden sei. Dem ist indessen nach dem Gesagten nicht zuzustimmen, auch das BSHG kennt Vorschriften – vgl. § 121 BSHG-, die nicht auf § 5 BSHG abheben.

Dahinstehen kann, ob die Übernahme der Kosten für die Bestattung in angemessener Zeit nach der Bestattung begehrt werden muss, weil nach einem solchen Maßstab der Antrag hier rechtzeitig gestellt wäre, abgesehen davon, dass die Bekl. bereits Ende September 1992 über den Tod der Hilfeempfängerin unterrichtet war und es angesichts des Inhalts der Akten bekannt war, dass die Erben voraussichtlich für die Bestattung nicht würden aufkommen können.

Das VG hat den Umfang der i.S. von § 15 BSHG erforderlichen Kosten zutreffend bestimmt. Insoweit bemisst sich das Maß des Erforderlichen nach den ortsüblichen Aufwendungen für eine einfache, aber würdige Bestattung (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 9. 1991 – 4 L 262/95). Danach hat das VG den Aufwand sorgfältig ermittelt. Diese Überlegungen macht sich der Senat zu eigen.

Der Senat stimmt dem VG allerdings nicht in vollem Umfang zu, soweit es dargestellt hat, in welchem Umfang der Kl. eigenes Einkommen einzusetzen hat. Dabei teilt der Senat den Ansatzpunkt des VG, das einzusetzende Einkommen sei nach den §§ 79ff. BSHG zu bestimmen. Insoweit hat das VG zu Recht ausgeführt, der Erbe begehre – im Ergebnis – wegen der Übernahme der Bestattungskosten eine Hilfe, die der Hilfe in einer besonderen Lebenslage gleichkomme. Da § 15 BSHG den Begriff “nicht zugemutet werden kann”, verwendet, den auch § 79 I und II, sowie § 84 I 1 BSHG verwenden, liegt es nahe, an diese Vorschriften anzuknüpfen. Schließlich trifft auch die Auffassung des VG zu, § 84 I VGHG erlaube es, dadurch dem Einzelfall gerecht zu werden, dass die Aufbringung der Mittel – soweit das zu berücksichtigende Einkommen die maßgebende Einkommensgrenze übersteigt – nur in angemessenem Umfang zu fordern ist. Der Senat zieht deshalb zur Auslegung des Begriffs “nicht zugemutet werden kann” nicht § 3 I BSHG heran (vgl. hierzu VGH Mannheim, FEVS 42, 380). Bei dem Rückgriff auf diese Vorschrift ist es – mangels näherer Anhaltspunkte – nicht möglich, in einem auch für die Träger der Sozialhilfe praktikablen Maßstab zu bezeichnen, in welchem Umfang Einkommen anzusetzen ist, soweit Hilfe nach § 15 BSHG begehrt wird.

Wendet man § 84 I BSHG an, so hält der Senat für angemessen, dass nahe Verwandte (z.B. Kinder oder Ehegatten des Verstorbenen) aus ihrem zu berücksichtigenden Einkommen, das die maßgebende Einkommensgrenze (§ 79 BSHG) übersteigt, in der Regel 50 % aufwenden, um die von dritter Seite (z.B. Leistungen einer Krankenkasse) und durch das Vermögen des Erblassers nicht gedeckten Kosten für die Bestattung aufzubringen. Bei dieser Bemessung hat der Senat die “Art des Bedarfs” berücksichtigt, sowie bedacht, dass es sich um eine Belastung handelt, die nicht wiederholt auftritt. Angesichts dieser Überlegungen hält es der Senat für gerechtfertigt, besondere Belastungen des Hilfesuchenden und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen (§ 84 I 2 BSHG) nur dann zu berücksichtigen, wenn sie einen besonderen Umfang erreichen und deshalb das Maß dessen verlassen, was häufig oder gar regelmäßig an besonderen Belastungen (hierzu rechnen Aufwendungen für die Heizung nicht, sie sind in der Regel im Rahmen von § 84 I 2 BSHG nicht zu berücksichtigen) vorhanden zu sein pflegt. So bleiben Aufwendungen – etwa im Hinblick auf die Begleichung von Schulden – geringeren Ausmaßes bei dieser entsprechenden Anwendung des § 84 BSHG unberücksichtigt, besondere Belastungen sind in die Überlegungen nur einzubeziehen, soweit sie das beschriebene Maß übersteigen (so sind deshalb Aufwendungen für Körperpflege u.ä. nicht einzubeziehen).

Da dem Hilfesuchenden insoweit ein Teil seines Einkommens verbleibt, das die Einkommensgrenze übersteigt, ist es ihm möglich, aus diesem Einkommen Aufwendungen geringen Umfangs, wie sie bei einer Bestattung üblich sein mögen aufzubringen, in diesem Zusammenhang mag an eine Bewirtung der Trauergäste sowie an ein geringes “Trinkgeld” für die Mitarbeiter des Altenheims, in dem der verstorbene Hilfeempfänger gewohnt hat, gedacht werden.

Rechtsgebiete

Sozialrecht